… ist so eine Sache, nicht nur, was den Begriff Kunst als solchen betrifft. Auch wem sie gehört, also wer Eigentümer eines Kunstgegenstands ist, ist so eine Sache. Früher, also ganz früher, als es noch Fürsten und Könige gab, galt mehr oder weniger das Prinzip „weggegangen, Platz vergangen“, d.h. der Fürst, der den andere mit Krieg überzogen und gewonnen hatte, gelangte faktisch auch an das Eigentum der Sachen, die er mitgehen ließ. Im modernen Rechtsstaat gilt das nicht mehr. Wem was geklaut wurde, der bleibt trotzdem Eigentümer der Sache, mit kleinen Ausnahmen wie dem „gutgläubigen Erwerb“. Wer will, kann sich dies im BGB anschauen. Wer also einem Dieb eine Sache abkauft, wird zwar Besitzer, aber nicht Eigentümer, und muss dem Eigentümer auf dessen Forderung die Sache wieder zurück geben. Wobei das Problem, wer welche Kosten trägt, zunächst einmal offen bleibt.
So richtig in Gang gekommen ist die Restitution von Kunst erst mit dem 2. Weltkrieg, über den sehr böse Zungen auch behaupten könnten, Ostpreußen müsste nach den Forderungen Vertriebener über anhanden gekommene Rittergüter wohl das komplette Weißrussland umfasst haben und von 100 Kunstwerken hätten ca. 125 jüdischen Eigentümern gehört. Inzwischen gehen die Restitutionsforderungen in die nächste Runde und umfassen die letzten 300 Jahre, allerdings nicht bezüglich der Schatzkammern der Fürsten, sondern der Völkerkundemuseen, die außereuropäische Kunst ausstellen.
Einige aus der Gutmenschenriege meinen, alles wäre geklaut und müsse an die Herkunftsländer zurück gegeben werden, und auf das Signal melden sich auch von dort zunehmend Interessenten, die brennend an der ihren Ahnen gehörenden Kunst interessiert sind. Museumsdirektoren sehen das natürlich anders, und auch ich wäre nicht begeistert, den 1,3 m – Nashornbullen wieder nach Afrika zurückführen zu müssen, weil der sich im heimischen Flur auch recht wohl fühlt.
Na ja, der ist neu, wie man sieht, und offenbar ein Objekt des Kunsthandwerkhandels, und ich hoffe, dass mein Freund Simon den wirklich bei seinen Kontaktleuten in Afrika erworben hat und nicht etwa eine seinem Äußeren ähnliche schwarze Seele besitzt. Problematischer kann schon so etwas werden:
Das Figürchen hat ein paar Jahre mehr auf dem Buckel und ähnelt schon recht stark Sachen, die man auch in Museen finden kann.
Das eigentliche Problem dabei ist: ab wann darf man eigentlich von Diebstahl sprechen? Viele jüdische Eigentümer haben/mussten ihre Kunstobjekte unter Wert verkaufen. Ist das dann schon Diebstahl, der zur Rückforderung berechtigt? Ähnlich dem Eigentümer eines Diesel-PKW, der vielleicht gezwungen ist, sein Fahrzeug zu 1/3 des eigentlichen Wertes zu verkaufen, um weiter sein Brot zu verdienen, und vielleicht in 2 Jahren „April! April! Du darfst deinen Diesel wieder fahren!“ hört. Kann der Forderungen wegen Diebstahls/Enteignung stellen? Normalerweise werden Notfälle, in denen man unter Wert verkaufen muss, weil man nicht warten kann oder will, nicht als entschädigungsfähig angesehen.
Noch kritischer im Fall von kolonialer Beutekunst. Ob etwas nun durch gewaltsame Wegnahme nach Europa gekommen ist oder der Reisende mit Glasperlen und ein paar Messern bezahlt hat, muss erst einmal geklärt werden; und damit ist immer noch nicht ausgeschlossen, dass das zur damaligen Zeit ein ehrliches Geschäft war, könnten doch Glasperlen, die es sonst nicht gab, und ein Messer dem Besitzer mehr Ansehen verschaffen als ein Holzpüppchen, das der Nachbar auch besaß.Ist es gerechtfertigt, heutige Wertvorstellungen einfach auf die damalige Zeit zu übertragen?
Auch zu berücksichtigen: was wäre von all dem noch übrig, hätte nicht ein europäischer Sammler das Zeug in ein Museum geschleppt? Vermutlich nichts, denn erst in neuester Zeit bestehen in vielen Ländern überhaupt die Voraussetzungen, die Gegenstände zu erhalten. Und darf überhaupt ein Volk etwas zurückfordern, weil (mutmaßlich) einer seiner Angehörigen einmal etwas geschaffen hatte? Wenn ja, wo hört das auf?
Ob es also tatsächlich rechtlich begründbar ist, einen Gegenstand zurück zu geben, darf man wohl bezweifeln. Insofern regen sich meiner Ansicht nach Museumsdirektoren zu Recht über Gutmenschen in der Politik und den Medien auf, die auf 3 zurück geforderte Werke kostenlos noch 8 drauflegen wollen. Natürlich haben auch die Menschen in den Herkunftsländern ein Recht darauf, ihre Vergangenheit zu bewundern (und sollten sich aber auch mal ernsthaft fragen, woran das liegt, wenn nichts da ist; Diebstahl alleine war das auf keinen Fall). Das könnte man aber auch anders regeln: wenn ein Gegenstand ausgestellt wird, finden sich in der Regel noch mindestens 3 weitere in den Magazinen, die das Glück nicht haben und Jahrzehnt auf Jahrzehnt in der Schublade verbringen. Man könnte die Magazinbestände zunächst teilen, was dazu führen würde, dass auch diese Gegenstände ordentlich katalogisiert werden (was bei Maganzinbeständen oft gar nicht der Fall ist), und in einem weiteren Schritt zyklisch die ausgestellten Werke zwischen den Museen wandern lassen, d.h. das Primärstück wäre dann auch am Ursprungsort zu sehen. Damit wäre allen sicher besser geholfen als mit der derzeitigen Situation oder den Gutmenschenvorstellungen, die hier die Museen leer werden lassen könnten.
Auch bei Einzelstücken gäbe es eine Lösung. Kostet ein van Gogh auf Auktionen schon mal 150.000.000 €, so könnte eine perfekte Kopie mit den heutigen Möglichkeiten auch für 150.000.000 € hergestellt werden (± ein paar Tausend Euro). Das gilt für fast alles, und für fast alles gilt auch, dass das Original nur mit extrem aufwändiger Technik identifiziert werden kann, jedoch in der Regel nicht durch den menschlichen Betrachter (wie auch Weinkenner vermutlich einen guten Wein für 10-15 € nicht vom Chateau Margaux für 1.500 € unterscheiden können, wenn man ihnen nur die rote Suppe im Glas ohne die Flaschen im Hintergrund vorsetzt). Mit Original und Kopie spielt man Schrödingers Katze, d.h. es wird ausgelost, wer was bekommt, ohne es zu verraten. Der Betrachter im Museum sieht dann ein Kunstwerk, das echt und gefälscht zur gleichen Zeit ist. Auch hier könnte man zyklisch tauschen, so das jeder mal das Original und die Fälschung zu sehen bekommt.
Die Welt könnte so einfach sein, wenn man nur wollte. Bis das so weit ist, hoffe ich allerdings, dass mir niemand mit einer Rückforderung für die kleine Statue kommt, weil die seiner Uroma vor 80 Jahren geklaut worden ist und er sich noch genau an die Glasperlen erinnern kann, mit der sie heute noch behängt ist.