Kapitel 2: Das Problem (mit) der Wissenschaft
Solche Überlegungen, wie wir sie in Kapitel 1 angestellt haben, findet man selten bis gar nicht. Warum eigentlich nicht? Das Problem liegt in der (vermeintlichen) Seriosität, die sich die Wissenschaft gibt. Sie möchte nämlich ihre Thesen anhand von Belegen nachweisen können, und das kann sie leider definitiv nicht. Wild spekulieren ohne großen Faktenhintergrund darf man nur, wenn es um das Klima, die Gesundheit oder den Umweltschutz geht, vorausgesetzt, es kommt dabei heraus, dass Klimaänderungen nicht nur ausschließlich vom Menschen verursacht sind, sondern sogar gesteuert werden können, frühzeitiger Tod die Folge ist (Diesel, Veganer) oder gar kein Problem besteht, sondern alles nur aus Nickeligkeit einiger weniger erfolgt (Energieversorgung).
Paläontologen sind auf Fossilfunde angewiesen, Archäologen auf nicht zerstörte Wohnstätten oder sonstige Spuren. Auch wenn viel gefunden wurde – das Standardwerk über Paläozoologie von Arno Müller besteht aus 7 Bänden und benötigt alleine für die Dinogruppe 645 Seiten (Band III, Teil 2) für die Auflistung der Arten – es bleiben doch nur Knochenfunde aus vielen Millionen Jahren. Ähnliches gilt für Hominidenfunde, die den Weg zum heutigen Menschen dokumentieren sollen. Oberflächlich besehen ist die Liste eindrucksvoll lang – 31 Funde für die Zeit vor 1-2 Millionen Jahren – aber wenn man nachrechnet, liegen zwischen den Funden nicht nur durchschnittlich 35.000 Jahre, sondern auch 10.000 km oder mehr. Verglichen mit der dokumentierten Geschichte entspricht der zeitliche Abstand der Funde etwa dem 7-8-fachen, und die Entfernung überschreitet nicht selten die Ausbreitungsareale heute lebender Arten. Das gleiche Problem haben Archäologen, wenn sie frühe Wohnplätze untersuchen. Die waren zwar oft vielfach bewohnt, wie gerne betont wird, aber man muss schon selbst nachrechnen, dass zwischen den einzelnen Wohnphasen von 1-3 Jahren im Durchschnitt 500-1.000 Jahre lagen, in denen der Platz nicht bewohnt wurde.
Der Grund hierfür ist ganz einfach, dass nicht viele Orte überhaupt für Fossilbildung geeignet sind. In Wäldern hat man allenfalls eine Fundchance, wenn ein Tier in ein Moor fällt und unter Luftabschluss konserviert wird, ansonsten bleibt im Laufe der Zeit nichts übrig. In der Savanne bleibt ebenfalls kein Rest übrig, wenn eine Hyäne sich der Sache annimmt. Chancen gibt es sonst noch in Gewässern, wenn ein Tier ertrinkt und vom Wasser an eine geschützte Stelle transportiert wird. Allerdings ist dann der Fundort nicht mehr der Todesort und möglicherweise noch nicht mal das eigentliche Lebensareal. Als Ausgleich hat man allerdings die Chance, mehrere Individuen und nicht nur eines zu finden.
Ist schon ein Einzelfund mehr als problematisch, um auf eine Gesamtheit zu schließen – man stelle sich vor, man finde ein menschliches Skelett, aus dem eine Körpergröße von 195 cm abzuleiten ist, und leite daraus die Größenverteilung der Bewohner von Köln ab – sind die Funde überdies selten vollständig. Oft beschränken sich die Funde auf wenige Knochen (bei Flussfunden u.U. sogar von unterschiedlichen Individuen). Durch akribische Vergleiche leiten die Wissenschaftler daraus einigermaßen plausibel das Gesamtaussehen und biologische Verwandschaften ab – aber eben nur „einigermaßen plausibel“. Auch wenn es ungerne zugegeben wird, die Unsicherheitsrate dürfte hoch sein, wenn aus einzelnen Schädelknochen und Zähnen sowie einigen Nebenfunden Alter, Geschlecht und einiges andere „rekonstruiert“ wird. Gar nicht zugänglich sind körperliche Merkmale wie Behaarung oder gesellschaftliche Merkmale wie Lebensweise, Kommunikation, Werkzeuge usw.
Abgesehen von Grabenkämpfen untereinander wie die Zuordnung einzelner Zähne zu Arten und Gattungen ist die Wissenschaft daher nach Außen recht vorsichtig mit ihren Äußerungen. Solche Modelle, wie wir in Kapitel 1 diskutiert haben, lassen sich zwar anhand gewisser Annahmen durchrechnen, aber die Annahmen lassen sich eben aufgrund von Funden nicht nachweisen. Gewissermaßen ähnelt das den Klimarechnungen, ist aber insofern wesentlich seriöser als die Ergebnisse vorliegen und die Rechnung daher auf Plausibilität geprüft werden können, während beim Klima allenfalls in einigen Jahrzehnten nachprüfbar ist, ob die Annahmen überhaupt stimmen (das Nachrechnen der vergangenen Eiszeiten verkneifen sich die Klimaleute aus gutem Grund in der Regel).
Trotzdem tritt die Wissenschaft nach Außen recht bestimmt auf, allerdings mit langen Laufzeiten, was Korrekturen aufgrund neuer Erkenntnisse angeht. Modellvorstellungen werden anhand von Kenntnissen entwickelt, und wenn die Kenntnisse nicht ausreichen, werden/wurden gerne Anleihen aus der heutigen Zeit entlehnt. So spielt nach den Vorstellungen vieler Archäologen die Religion bereits sehr früh in der Menschheit eine übergroße Rolle, weil das eben heute der Fall ist, aber darf man das wirklich ohne Belege in die Vergangenheit exportieren (wir kommen noch auf das Thema zu sprechen)? Von Zeit zu Zeit treffen sich die Koryphäen auf irgendwelchen Tagungen und diskutieren aus, was als öffentliches Bild zu präsentieren ist. Und hier ist es wie anderswo, wo keine eindeutigen Fakten vorliegen: der anerkannteste Wissenschaftler prägt mit seiner Meinung zumindest sehr stark das Ergebnis, und möglicherweise plausiblere Modelle werden in diesem Konkurrenzkampf untergebügelt. Man sagt tunlichst nichts anderes oder wenn, dann nur extrem vorsichtig, denn sonst droht Image- und Forschungsgeldverlust, und da jeder dieser Leute über eine Entourage von Studenten in Kompaniestärke verfügt, die tunlichst auch nur das sagen, was der Chef hören will, landen wir bei einem relativ einheitlichen Bild, und das für lange Zeit. Denn erst wenn der Chef nach 20-30 Jahren abtritt und seinen Lehrstuhl einem Schüler überlässt, hat der überhaupt eine realistische Chance, seine Ideen, die er vielleicht schon seit Beginn seines Studiums gehabt hat, etwas bekannter zu machen.
Zusammengefasst: Bei allem internen Gehacke tritt die wissenschaftliche Gemeinde nach Außen relativ geschlossen, jedoch mit einem eingeschränkten und manchmal auch antiquiertem Weldbild auf, das obendrein eine lange Standzeit hat. Wenn man den Zeitraum, in dem freie Wissenschaft bislang überhaupt erst existiert (Ende des 19. Jahrhunderts, wenn man so will), in Relation zur Einflußzeit einer maßgeblichen Koryphäe (bis zu 40-50 Jahren) setzt und berücksichtigt, dass Wissenschaftsjournalisten wie alle Journalisten eher nicht nachdenken, sondern nur das zur Kenntnis nehmen, was sie gerade zur Kenntnis nehmen wollen, kann man sich schon ganz gut einen Eindruck vom Trägheitsmoment verschaffen.
Man kann nun das Thema dieser Artikelserie auch ganz einfach im Internet oder in Büchern nachlesen, was sie einfach überflüssig machen würde. Wenn ich sie trotzdem schreibe, dann um auf einige Modellalternativen hinzuweisen, die von der Standardwissenschaft nicht (offen) diskutiert wird. Man kann diese Alternativen durchrechnen, was hier natürlich nicht explizit vorexerziert wird. Da wir immer in die Vergangenheit schauen, lässt sich aber jeweils prüfen, ob die überprüfbare Realtität herauskommt. Bevor wir auf Details der Menschheitsentwicklung kommen, werfen wir aber noch einen Blick auf die genetische Evolution.