Generation „N“ für „Nicht von dieser Welt“

Sie gehen einfach an die Sonne, wenn’s regnet …

Unsere Kultur der Infantilisierung der Heranwachsenden ist erschreckend blind für Notwendigkeiten. In einem gesellschaftlichen Klima, das sich vorrangig um Sensibilisierung für das Ich und dessen hedonistische Selbstverwirklichung kümmert, kann der Einsatz für den zukünftigen Bestand eines stets zu erarbeitenden Wohlstands mit Härte und Verzicht nicht mehr vermittelt werden.

von Gastautor Josef Hueber

Sportunterricht kann weg“

Wann war das nochmal, als es nur einen Sieger beim Vorlese-Wettbewerb in der Schule gab, nicht den 1., den 2. und den 3. Sieger? Als der Wettlauf bei den Bundesjugendspielen nicht nur bedeutete sich die Beine vertreten, sondern 50 oder 100 Meter um die Bestzeit zu rennen und stolz auf dem Siegerpodest zu stehen? Die taz berichtet von den Bundesjugendspielen als Veranstaltung, die man bisher als „Demütigung aller, deren Körper nicht für Leichtathletik, Geräteturnen und Schwimmen geboren wurden“ wahrnahm. Das sei schließlich für die Nicht-Sieger ein „traumatisches Ereignis“. Deswegen die Schlagzeile „Sportunterricht kann weg“.

Fabian Nicolay, Herausgeber des Portals Achgut, erzählt in einem  Newsletter von seiner Zeit des Erwachsenwerdens so: „Als ich zum Gymnasium, zur Hochschule, zu meinem ersten Job ging, war Leistung das wichtigste Kriterium, das Erfolg, Anerkennung und Beifall auslöste. Undenkbar war es, dass man für weniger als all dies gelobt worden wäre.“ Es gab „Ansprüche, deren Erfüllung Voraussetzung für gesellschaftliche Anerkennung war: Qualität, Exzellenz, Wissen, Expertise, Kreativität.“ Völlig undenkbar war gesellschaftliche Anerkennung für „Minderleistungen und Idiotisches“.

Erwachsene im Kindheitsmodus

Lang ist’s her. Heranwachsen und zur Reife gelangen scheint heute ersetzt durch einen Prozess  prolongierter Kleinkindzeit. 

Es ist ein niedlicher Anblick, wenn die Kleinen mit ersten Schritten vor den stolzen Elternaugen umhertapsen, ohne gleich umzufallen. Sie greifen dies und das und lassen es ohne sichtbaren Grund wieder fallen. Begehrtes verliert sichtlich grundlos, plötzlich, an Attraktivität, nächstliegend Neuem gilt jetzt das ganze, ausschließliche Interesse. Der „Toddler“, wie ihn die Engländer liebevoll nennen, beginnt so seine Eroberung der Welt.

Dieses infantile Verhaltensmuster bei der Begegnung mit Wirklichkeit endet im Normalfall schon vor der Einschulung. Dass es sich in Teilen der nachwachsenden Generation heute bis ins Erwachsenenalter erstreckt, verheißt nichts Gutes.

Der Bayerische Rundfunk gab dafür in einem schon vor einigen Jahren ausgestrahlten Interview mit Kleinkind-Erwachsenen den hörbaren Beweis. Vier 18-Jährige konnten in dem Sendeformat „Bankgeheimnnis“ ihre nicht erkennbar weiterentwickelte Kindergarten-Weltsicht, weitestgehend  frei von lästigem Nachfragen, präsentieren. Sie formulierten ihren Traum von Zukunft so: „ …dass nicht immer nur Geld die Welt regiert und Konsum das Leben bestimmt. Solange es aber die Liebe gibt, ist alles okay.“

Lassen wir die Hoffnungsträger zukünftigen Wohlstands in Deutschland weiter eindrucksvoll zu Wort kommen. Die Fragen (F) und Antworten (A) machen Laune. (Die Antworten wurden auf den Kern der Aussage hin gekürzt, aber nicht sinnentstellend.).

F: Habt ihr Angst um die Welt?

A: Absolut. Volle Kanne. Auf der einen Seite sehe ich viele gute Bewegungen, z.B. dass linksradikales Gedankengut wieder salonfähig wird. Und es ist leider so, dass viele Menschen sagen, hey, hoppla, die Überproduktion, und der Konsum, und unsere kapitalistische Gesellschaft, bringt’s das? Haben wir den Karren schon an die Wand gefahren? Man fängt irgendwann an zu denken, zu hinterfragen. Warum geht’s mir gut und so vielen Menschen auf der Welt nicht gut?

F: Wie baut ihr das in den Alltag ein? Studiert ihr?

A: Ich mach ’ne Ausbildung zur Krankenschwester. Mir fällts wahnsinnig schwer, in diesem System zu arbeiten, weil ich sozusagen als Marionette funktionier’. Mein Ziel ist es, ins Ausland zu gehen. Deshalb zwing’ ich mich in dieses System, in das ich überhaupt nicht reinpass’ und in dem ich mich auch nicht wohlfühlen kann und das auch nicht meinen Werten entspricht.

F: Womit willst du mal dein Geld verdienen?

A: Also, Zukunft ist eher schwammig immer so, aber ursprünglich hab ich ’ne Ausbildung als Sozialpfleger und Betreuer, und jetzt bin ich im Puppentheater und spiel’ Marionetten so. Ich weiß nicht, was ich in 10 Jahren machen werde so. Ich sammle halt Lebenserfahrung, und die ist cool.

F: Was ist euer Bank-Geheimnis?

A: Nicht so viel denken. Und mehr machen und mehr fühlen. Das Geheimnis ist: Alles ist Liebe. Und solange Liebe da ist, ist alles ok. Wenn’s einem schlecht geht und man von dem ganzen Trubel am Sack ist, dann einfach in die Sonne rausgehen. Wenn’s regnet, dann hofft man einfach bisschen auf die Sonne so.

Der Blick ins Ofenrohr für die Alten

Bisher konnte man sich darauf verlassen: Die Jungen übernehmen die Verantwortung dafür, dass die Alten, die für den Wohlstand der Gegenwart gesorgt haben, am Wohlstand der Zukunft beteiligt sind und nicht verarmen. Das nennt man Generationenvertrag. Wikipedia definiert: „Mit Generationenvertrag wird der unausgesprochene „Vertrag“ zwischen der beitragszahlenden und der rentenbeziehenden Generation bezeichnet. Die arbeitende und somit zahlende Generation erwartet ihrerseits, dass auch ihre Rente durch die Beitragszahlungen der nachfolgenden Generation gedeckt ist.“

Selbst für pessimistische Beobachter der Mentalitätsdeformationen in der nachwachsenden Generation gibt es einen Trost. Auf eines wird man sich nämlich verlassen können: Der Strom wird auch in Zukunft immer aus der Steckdose kommen.

Kleine Einschränkung: wenn überhaupt.