Bei Wahlen schaut man ja immer etwas naserümpfend auf die USA. Keiner der Kandidaten könnte dort ohne Wahlkampfspenden über die Runden kommen, was ihn abhängig macht. Da ist unser staatlich finanziertes System doch viel besser. Oder nicht?
Hier gibt es eine offizielle Wahlkampffinanzierung. Jede Partei erhält eine von der Anzahl der Wählersitmmen abhängige Wahlkampfentschädigung. Den Rest finanzieren die Parteien aus ihren Mitgliedsbeiträgen und Spenden, wobei Spenden ab einer bestimmten Höhe meldepflichtig sind und – vermutlich oft zu Recht – im Ruf der Bestechung stehen, um bestimmte politische Ziele umzusetzen. Das sollte doch eigentlich reichen, die Wahlkämpfe weitestgehend zu finanzieren, oder?
Offenbar nicht! Wie die ZEIT berichtet, schießen die Kandidaten selbst Beträge zu. Gut, politische Ambitionen sind nicht umsonst, und ein paar Euro alle paar Jahre sollten sich die Leute die Sache schon kosten lassen. Alles im Lot, meint man, bis man diesen Artikel gelesen hat: Ein Minimalaufwand von 5.000 € ist ein wenig mehr als „ein paar Euro“, aber auch Summen von 50.000 €, gar bis 120.000 € werden genannt. Wohlgemerkt: Privater Aufwand der Kandidaten selbst! Dafür bekommt man bei uns in der Gegend schon eine Wohnung oder ein Haus.
„OK“, mag man denken, „die Leute verdienen ja auch nicht schlecht als Abgeordnete“. Stimmt natürlich. 12.000 € / Monat + diverse andere Sachen, die unsereiner selbst bezahlen muss, ist schon eine Hausnummer. Viele der Abgeordneten dürften ohne die Politik vermutlich zwischen Hartz IV und vielleicht 3.000 € liegen, zumindest wenn man ihre geistigen Gaben, die sie in Interviews präsentieren, als Maßstab nimmt. Da hat man die Wahlkampfkosten nach einem Jahr wohl wieder rausgeholt, vielleicht auch nach 2. Ist ja auch steuerlich verwertbar.
Man muss jedoch auch einmal eine andere Rechnung anstellen. Es kommt nur ein Kandidat pro Wahlkreis zum Zug, die anderen gehen leer aus, haben aber ebenfalls solche Investitionen getätigt. 10-20.000 € für einen „Shot to nothing“, wie es im Snooker heißt? Und wie die ZEIT behauptet, handelt es sich oftmals um Kredite, auf denen die Möchtegernabgeorneten nun sitzen. Genügt da die Aussicht auf die Abgeordnetendiäten? Oder ist da nicht vielmehr die Aussicht, Kraft des Amtes noch ganz andere Summen verdienen zu können? Lobbyisten umschwärmen Parlamentarier ja dichter als Schmeißfliegen einen Haufen Scheiße, was nichts mit dem (angeblichen?) Insektensterben zu tun hat. Statt offener Korruption vor der Wahl wie in den USA hier verdeckte Korruption nach der Wahl? Der Verdacht drängt sich zumindest auf.