Kennen Sie „Ihren“ Abgeordneten?

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Und wenn Sie ihn kennen würden, würden Sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wünschen, ihn nicht zu kennen. Es sei denn, sie wollen etwas und haben genügend Geld, ihn zu kaufen. Aber auch dann werden Sie ihn eigentlich nicht auf Dauer kennen, sondern ihn als Sprungbrett zu lukrativeren käuflichen Gestalten benutzen.

Verkauft wird Ihnen die Demokratie als „politische Teilhabe“. Sie können mitbestimmen, wie sich die Gesellschaft entwickelt. FALSCH! ESKS (= einen Scheiß können Sie). Demokratie ist keine Beteiligung an irgendetwas, es ist ein Auswahlverfahren. Ein Auswahlverfahren, in dem die charakterlosesten und unfähigsten Gestalten ausgewählt werden, um letztlich denen, die am meisten zahlen können, zu dienen. Und nicht etwa Ihnen!

Die typische Politikerkarriere wird heute durch das Tripel „Kreisssaal, Hörsaal, Plenarsaal“ beschrieben. Geboren wird jeder, „Studieren“ darf auch jeder, und wer dann beweist, dass er vorher nichts gelernt und anschließend auch nichts dazu gelernt hat und völlig prinzipien- und ideenlos ist, kommt ins Plenum. Während man von einem normalen arbeitenden Bürger erwartet, dass man ihm kurz sagt, was man will, und einige Zeit später die Rückmeldung „fertig, Meister!“ bekommt, benötigt ein Politiker weder die Fähigkeit, eine Idee zu entwickeln, was sich der Kunde unter „einem schicken modernen Wohnzimmer“ vorstellen könnte, noch die handwerkliche Fähigkeit, den IKEA-Schrank dann auch zusammen zusetzen. Die einzige Fähigkeit, die ein Politiker benötigt, besteht darin, an den richtigen Stellen „JA“ oder „NEIN“ zu sagen, völlig unabhängig davon, um was es geht. Es ist nicht nötig, dass er versteht, um was es geht, es ist auch nicht nötig, darauf zu achten, ob er gestern JA gesagt hat, wo er heute NEIN sagt, er muss nur das sagen, was ihm vorgegeben wird.

Nehmen wir den typischen Prä-Politiker im Hörsaal. Zu blöd, ein Rechts- von einem Linksgewinde unterscheiden zu können, wird ihn sein Prof nicht mögen. Aber da ist ja noch der aus dem höheren Semester mit den gleichen nicht vorhandenen Fähigkeiten, der immer so gescheit daherschwatzt. Ist zwar nicht von ihm und ist auch nicht gescheit, hört sich aber gescheit an. Den kann man anhimmeln. Und der vergilt das Anhimmeln mit Anerkennung – im Gegensatz zum Prof. Und schon hat man das passende Paar Influenzer-Follower. Das muss man sich natürlich etwas größer vorstellen: der Influenzer hat mehrere Follower und ist seinerseits Follower von Leuten, die schon im Plenarsaal sitzen. Fertig ist das Netzwerk.

Das mit der Anerkennung funktioniert natürlich nur so lange, wie dem Influenzer nicht widersprochen und alles gemacht wird, was er gerne gemacht haben möchte. Da trennt sich die Spreu vom Weizen: wer aus irgendeinem Grund doch noch zu eigenen Ideen und Leistungen fähig ist, wird nicht mehr zurück geliebt und scheidet aus. Es bleiben nur die Dumpfbacken, die nun die Parteisoldaten darstellen. So ein Parteisoldat oder besser sein Kopf taucht dann auf irgendwelchen Flyern vor einer Wahl auf, zusammen mit ein paar nichtssagenden Floskeln wie „gemeinsam in die Zukunft“ (was bleibt einem schon übrig, da alle auf dem gleichen Zeitstrahl leben?) oder „gegen soziale Ausgrenzung“ (da geht schnell unter, dass der Politiker nur sich selbst meint, aber nicht seinen Wähler, den er ohne skrupel jederzeit sozial ausgrenzt). Kennen lernen kann man den Parteisoldaten nicht, denn bei 250.000 Wählern pro Wahlkreis bräuchte der 13 Jahre, um mit jedem auch nur 5 Minuten sprechen zu können. Und Reden werden meist von heran gekarrten Influenzern der zu wählenden Follower gehalten, denn letztere könnten ja auch was Falsches sagen.

So gelangt der Parteisoldat dann ins Plenum. „Die Abgeordneten sind nur ihrem Gewissen verantwortlich“ steht im Grundgesetz. ESSS (= einen Scheiß sind sie). Sie haben dem Fraktionszwang zu folgend, also ihrem Influenzer. Tun sie das nicht, ist ihre Karriere beendet, denn noch einmal kommen sie dann nicht ins Plenum. Tun sie das, ist ihre Karriere trotzdem gefährdet, denn sie müssen dann auch gegen ihre Interessen bezüglich einer Wiederwahl dem Fraktionszwang folgen (glücklicherweise sind die meisten zu beschränkt, den Widerspruch zwischen Votum und dem, was ihre Wähler erwarten, auch nur zu begreifen). Aber die Karriere ist weniger gefährdet. Andererseits ist ein Parteisoldat auch entbehrlich. Bekommt die Partei weniger Stimmen, kommt er nicht mehr ins Plenum, und wenn er dort nur eine oder zwei Wahlperioden erlebt hat, landet er trotz 12.000 € im Monat nach einiger Zeit dort, wo er hingehört: nämlich in Hartz IV. Die Versorgung ist nämlich bewusst im Gegensatz zu den Diäten bei Kurzzeitabgeordneten nicht so üppig, dass der Parteisoldat nicht weiter emsig in seiner Rolle aufgehen muss.

Hier kann man ihn kaufen. Auf zwei Arten: direkt oder über eine Parteispende. Ziel ist, dass er bei bestimmten Entscheidungen eine bestimmte Position einnimmt. Erinnern wir uns daran, dass er spuren muss. Ist er bereits in einer Position in der Influenzerhierarchie, in der er das eine oder andere entscheiden darf, kann man ihn direkt kaufen. Ist er das nicht, kann man über eine Parteispende seine Influenzer kaufen, die ihm dann die entsprechende Entscheidung genehmigen. Und dafür sorgen, dass durch einen besseren Listenplatz die Karriere besser gesichert ist. Und ist man hoch genug, besteht das „Kaufen eines Parteisoldaten“ in Beraterverträgen und sonstigen Pöstchen, stets mit dem Ziel, dass das Geld, das man als Geldgeber da investiert, weiterhin vermehr wird, indem der Influenzer weiter influenzt.

Das System ist wasserdicht. Nur wenn man peinlichst das beschließt, was der jeweilige Geldgeber möchte, bleibt man im System. Irgendwelche Prinzipien oder Skrupel sind da absolut karrieretödlich. Denn diese Leute wissen selbst: wenn sie abstürzen, ist der Absturz total, weil sie für andere Sachen völlig und absolut ungeeignet sind. Mitspielen und Informationen sammeln, mit denen man andere Influenzer oder selbst Geldgeber daran erinnern kann, dass sich sich auch selbst schaden können, wenn sie einen fallen lassen, ist die einzige Chance, nicht vor die Hunde zu gehen.

Also vergessen Sie, dass Demokratie und die damit verbundenen Wahlen irgendetwas bewirken können. Vergessen Sie, dass da Leute sitzen, die auch nur einen Fliegenschiss auf das Allgemeinwohl geben. Vergessen Sie Wahlversprechen besser noch schneller, als diese Leute Sie anlügen können. Sie lügen ja noch nicht mal. Heute absolut überzeugend von dem Gegenteil dessen überzeugt zu sein, von dem man gestern absolut überzeugend überzeugt war, gehört zur Standardausrüstung. Solche Leute würden ihre Oma nicht nur ohne Skrupel ans nächste Bordell verkaufen, sie würden sie sogar gleichzeitig an mehrere Bordelle verkaufen. Gemacht wird das, was der derzeitige oberste Geldgeber möchte, und wenn man wissen möchte, warum alles so beschissen läuft, sollte man besser danach forschen, wer in welcher Form profitiert und wie man sich selbst eine Scheibe abschneiden kann, anstatt zu hoffen, über „seinen Abgeordneten“ irgendetwas erreichen zu können. Demokratie ist keine Teilhabe, Demokratie ist ein Auswahlverfahren.


Die Alternative zur Demokratie ist das „Guter-König“-Prinzip, also ein Herrscher, der sagt, wo es lang geht, ohne dass einem durch Floskeln wie „Demokratie“ Sand in die Augen gestreut wird. Der „gute König“ ist allerdings eine Lotterie: es gibt „gute Könige“, die etwas für ihr Land und ihre Leute tun

NameLandDauerErgebnis
Pharao HatschepsutÄgyptenkeine Kriege, Handel
Friedrich II. (Preußen)1740–178646 JahreReligionsfreiheit, Rechtsstaat, Bildung, Ackerbau
Lee Kuan YewSingapur1959–1990Von Dritte-Welt → Weltspitze in 30 Jahren
Josip Broz TitoJugoslawien1943–1980Multiethnischer Frieden, Industrialisierung, Non-Block-Politik
Bhumibol AdulyadejThailand1946–2016Landreform, Millionen aus Armut, kein Bürgerkrieg

Auf die Liste könnte man ohne Probleme auch noch Putin oder Xi setzen.

Das Blöde an Lotterien ist, dass es mehr Nieten als Gewinne gibt. Tritt der „gute König“ ab, muss der nächste das nicht fortsetzen, sondern kann sich auch aus Riesenarschloch erweisen. Nicht selten ist genau das der Fall.

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