Der Boykott

Ein Boykott ist nach landläufigem Verständnis das Ignorieren angebotener Leistungen eines anderen, um diesen wirtschaftlich zu schädigen, weil dieser sein Zeug woanders auch nicht los wird. Das funktioniert, wenn man (a) auf die Leistungen verzichten kann oder (b) ein ausreichendes Alternativangebot auf dem Markt herrscht.

Kleinere Abweichungen von diesem Muster könnte man u.U. als Girlkott bezeichnen ¹⁾, aber auf das, was sich derzeit abspielt, passt m.E. noch nicht mal Schwulen- und Lesbenkott. Es geht um den Boykott russischer Energie in jeder Form.

Zunächst einmal können wir auf die Leistungen nicht verzichten (Verstoß gegen (a)) und es herrscht auch kein ausreichendes Alternativangebot (Verstoß gegen (b)), da Warenströme in der Größenordnung der Versorgung ganzer Länder fein aufeinander abgestimmt sind und größere vagabundierende Mengen nicht existieren. „Verzichtet“ man auf die Lieferungen aus Russland, ist das in diesem Fall kein simpler Verzicht, sondern – wieder unter Berücksichtigung von Ländern umfassenden Warenströmen – obendrein zu einem großen Teil knallharter Vertragsbruch, da Lieferungen in diesen Größenordnungen nicht kurzfristig verhandelt werden.

Da wir auf Energielieferungen angewiesen sind, müssen entsprechende Mengen woanders eingekauft werden. Die auf dem Weltmarkt umgeschlagenen Mengen sind jedoch ebenfalls bereits zu einem großen Teil vertraglich zugesichert, nur eben anderen. Man kann daher zunächst nur freie Mengen zu deutlich höheren Preisen aufkaufen, kurzlaufende Verträge zu höheren Preisen übernehmen oder andere Lieferanten dazu bringen, ebenfalls vertragsbrüchig gegenüber ihren Kunden zu werden, wozu man sie durch überhöhte Preise aber auch ermuntern muss.

Das Fazit neben einem allgemeinen Vertrauensverlust in der Geschäftswelt: für uns wird es (sehr) deutlich (noch) teurer, andere Länder ohne eigene Ressourcen geraten in wirtschaftliche Not oder massive Versorgungsengpässe und ein paar Länder mit Ressourcen wie die USA, die das ganze angezettelt hat, plündern die Welt genüsslich aus.

Und was ist mit den Russen? Deren Export wird nur zu einem Teil betroffen, da die Abnehmer in Fernost ohnehin den größeren Teil erhalten. Sie können nun eine Reihe der Länder, deren Lieferungen zu uns umgeleitet werden, ebenfalls beliefern, voraussichtlich ebenfalls zu besseren Preisen als die bei uns erzielten. Finanziell wird denen weniger geschadet als wir uns selbst schaden und letztlich wird auch das letzte Vertrauen in die Plünderer wie die USA verschwinden und man versorgt sich längerfristig lieber bei zuverlässigen Lieferanten wie den Russen als bei Erpressern wie den US-Amerikanern.

In den Medien wird trotzdem immer getönt, Russland sei finanziell am Ende. Was schon ein merkwürdiges G’schmäckle hat, wenn der Dieb, der einem das Portemonnaie geklaut hat, nun behauptet, man können ihm das geborgte Geld nicht zurückzahlen (die westlichen Länder haben mehrere Hundert Milliarden US-$ von russischen Konten gestohlen, ein Kredit von 500 Mio US-$ wurde trotzdem beglichen – soviel zur Logik von Schwerkriminellen). Eine Reihe von ohnehin bereits misstrauischen Ländern, allen voran z.B. Indien, orientieren sich inzwischen lieber in eine andere Richtung und machen sich von den US-Gangstern unabhängiger. Es sei aber daran erinnert, dass Russland eines der wenigen Länder der Erde ist, das sämtliche Ressourcen im Übermaß besitzt. Schon den 2. WK haben die Russen trotz großprotziger US-Lieferungen weitgehend aus der eigenen Substanz bestritten. Wenn es hart auf hart kommt, könnten die das einfach aussitzen, zumal eben die meisten Länder gar nicht bei den US-Maßnahmen mitmachen.

Noch was aus der Sprachkiste: Flinten-Uschi will nun außer für Öl auch für Gas ein Embargo gegen Russland verhängen. Auch da fragt man sich, nach welchen Kriterien solche Begriffe eingesetzt werden. Ein Embargo bezeichnet die Verweigerung von Lieferungen, auf die der andere angewiesen ist. Also im Klartext: wir, die wir auf russisches Gas angewiesen sind, verweigern die Lieferung von Gas an Russland, damit die uns nicht mehr damit beliefern können?


¹⁾ Genderfreisprech unter Nutzung der Erkenntnisse des Bierologen Prof.Dr.Dr. Mario Barth²⁾ der in seinen analytisch-systematischen-soziologischen-önologischen Studien nachgewiesen hat, dass die These des sozialen Konstrukts „Mann“ oder „Frau“ ein soziales Konstrukt ist.

²⁾ Tragen wird Herr Barth diese Titel nicht, obwohl sie bei ihm angemessener wären als bei Karl „the Manic“ Lauterbach.