So der Vorschlag, mit dem der CDU-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag in den Medien zitiert wird. Dazu ein offener Brief.
Sehr geehrter Herr Kauder,
Ihr Vorschlag ist genau eine der notwendigen Maßnahmen, um Integration zu ermöglichen, aber sind Sie auch bereit, sich für die Schaffung der Voraussetzungen dafür einzusetzen? Ihr Vorschlag geht heute nämlich leider vollkommen an den Möglichkeiten der Realität vorbei.
Resultiert Ihr Vorschlag aus Erinnerungen an Ihre eigene Schulzeit und die damals möglichen Disziplinierungsmaßnahmen? Wir sind in einem ähnlichen Alter, und ich habe gleich zwei Mal in meiner Klasse erleben dürfen, dass der Rektor bei massiven Verstößen gegen die Schulethik unmittelbar die Relegation ausgesprochen hat: der Schüler hatte mitten im Unterricht seine Sachen zu packen und durfte sich nie mehr an der Schule blicken lassen. Das ist jedoch Historie. Heute werden bei Vorgängen schlimmerer Art allenfalls Konferenzen abgehalten, ob das Schülerverhalten vielleicht zu einem Eintrag ins Klassenbuch berechtigt – wenn überhaupt etwas passiert, denn in den meisten Fällen beschwert sich niemand, weil es ohnehin zu nichts führt, und selbst der Eintrag ins Klassenbuch unterbleibt. Die Lehrer haben heute keinerlei Disziplinierungswerkzeug mehr in der Hand, Frechheiten oder Aufsässigkeiten zu unterbinden, und laufen eher Gefahr, disziplinarisch oder juristisch belangt zu werden, wenn sie es doch versuchen, als das irgendetwas bewirkt wird..
Ich sauge mir so etwas nicht aus den Fingern. Zu meinem Bekanntenkreis gehören sehr viele Lehrer, bei denen über Jahrzehnte hinweg nahezu jeder Satz mit „Meine Kinder …“ begann. Heute ist keiner mehr dabei, der nicht fast täglich nachrechnet, ob die Pensionsansprüche schon ausreichen, um aufzuhören. Wenn ein Schüler aus der Rolle fällt, muss der Lehrer sich verantworten, vor den Eltern, vor der Schulleitung und vor Kollegen, und wird nicht selten einem regelrechten Mobbing ausgesetzt, wenn er sich „politisch unkorrekt“ verhält und auf Leistung oder Respekt setzt. Nicht nur dass Schüler, die eigentlich eine Fünf verdient hätten, das Jahr bestehen, sie bekommen sogar häufig eine Zwei oder Drei, damit der Lehrer seine Ruhe hat. Über Disziplinierung brauchen wir gar nicht erst zu reden. Über den daraus resultierenden Wunsch, früher in Pension zu gehen statt einen interessanten Beruf weiter auszuüben, auch nicht.
Auch von anderer Seite kommen Bestätigungen dieses Zustands. Die Bochumer Polizistin Tania Kambouri in ihrem Sachbuch „Deutschland im Blaulicht“ die inzwischen unzumutbaren Zustände in der Polizei auch in Verbindung mit dem Schulsystem dargestellt und Empfehlungen formuliert, wie den „politischen Sozialromantikern“ zu begegnen ist. Was sie dabei übersieht und worauf Sie eine Antwort finden müssen, wenn Sie Ihren Vorschlag Ernst meinen: wie wollen sie mit den politischen Bildungsromantikern umgehen, die in den Schulen inzwischen ein weitaus größeres Chaos angerichtet haben als bei der Polizei?
Zu den Systemgeschädigten zähle ich mich als ehemaliger Hochschullehrer selbst. Da ist zum Einen der Bildungsschrott – anders kann man es kaum noch nennen – der vielfach an den Hochschulen erscheint. Bereits Ende der 1990er Jahre hat die FH Berlin in einer Studie festgestellt, dass 2/3 der FH-Studienanfänger fachlich noch nicht einmal über die Voraussetzungen für die FOS 12 verfügen. Seitdem hat sich das Problem potenziert. Damit könnte man zur Not noch leben, denn was nicht vorhanden ist, kann man den Leuten ja beizubringen versuchen. Schließlich wird man als Hochschullehrer dafür bezahlt. Sehr viel schlimmer als die fehlende Studierfähigkeit ist aber das politisch gewollte Mobbing selbst von Hochschullehrern, wenn man versucht, den in den Modulhandbüchern festgelegten Stoff in den Vorlesungen zu behandeln und für das Bestehen der Prüfungen vorauszusetzen. Im Interesse der Hochschule und ihrer Finanzierung haben auch die schlechtesten Studenten zu bestehen. Die Durchsetzung dieser Vorgabe geht von nächtlichen Anrufen, in denen man sich rechtfertigen soll, hin bis zu einer sehr überdehnten Auslegung der Prüfungsordnungen, um es vorsichtig auszudrücken. Sie wissen selbst, wie viele Doktortitel in den letzten Jahren aberkannt wurden, weil der Kandidat gemogelt hatte. Die Aberkennungen erfolgen durch die Hochschulen selbst – aber Sie wären vermutlich erschreckt, wenn Sie wüssten, wie viele Diplom- und Bachelorurkunden von jedem Verwaltungsgericht kassiert werden könnten, weil die Hochschulen gemogelt haben.
Dazu müssten die betroffenen Hochschullehrer aktiv werden. Gegen Hochschulleitung oder Kollegenkreis. Von wem kann man das erwarten? Kritik in der Art von Frau Kambouri auf meiner privaten Internetseite hat mir nur Dienstgespräche bei der Hochschulleitung nebst der Mitteilung, dass politische Kreise Ermittlungen gegen mich beantragt hätten, weil NPD-nahe Webseiten meine Artikel auf ihren Seiten verlinkt oder aus ihnen zitiert hatten, eingebracht. Ich habe den vorzeitigen Ruhestand vorgezogen. 3 Jahre früher als normal und 6 Jahre früher als in den Personalplanungen ausgewiesen. Es ging einfach nicht mehr, weiterhin Leuten einen guten Abschluss zu bescheinigen, die früher in meiner eigenen Firma bereits in der Probezeit wegen Unfähigkeit rausgeflogen sind..
Zurück zum Anfang: Ihre Ansage ist vollkommen korrekt und notwendig. Der Zulauf, den die AfD beim gut anti-Rechts-dressierten Bürger trotz aller Propaganda inzwischen hat, zeigt unmissverständlich, in welchem Ausmaß inzwischen vieles schief läuft. Deshalb: wie wollen sie die unhaltbaren derzeitigen Zustände im Bildungssystem und auch gleich bei der Polizei und anderen Behörden auf eine Korrekturschiene bringen, die Aussicht auf Erfolg hat?
Ich würde mich freuen, wenn ich von Ihnen eine qualifizierte Antwort auf diese Frage erhalten könnte, obwohl ich kein politische Bildungsromantiker bin. Ich muss aber auch gestehen, dass mich eine qualifiziert Antwort überraschen würde. Falls man beim Dialogversuch mit der Politik heute überhaupt noch eine Antwort bekommt, dann von irgendeinem spätpubertierenden Referenten auf dem intellektuellen Niveau von 30m Feldweg. Mein Vertrauen in die Politik inzwischen zu geschädigt, um noch irgendetwas Positives zu erwarten. Es liegt an Ihnen, das zu ändern.
Ich werde diesen Brief als offenen Brief auf meine Webseite einstellen und Ihre Antwort, die hoffentlich kommt, darunter veröffentlichen.