Pünktlich vor der Wahl bemüht sich der Schmutzfunk, den Leute Sand in die Augen zu werfen. Wie üblich mit so genannten Elefantentreffen aka Kanzlerkandidatenduellen. Diesmal Merz <-> Scholz und Habeck <-> Weidel. Habeck kneift umgehend und lehnt eine Runde mit Weidel ab. Früher nannte man solche Personen schlicht und einfach „Hosenscheißer“.
So ganz einfach ist die Sache allerdings nicht. Natürlich gibt es sofort viele Stimmen, die mutmaßen, Habeck mache das aus Feigheit, weil er fachlich nicht mit jemandem konkurrieren kann, der eine erfolgreiche Karriere im Finanz- und Wirtschaftsbereich hingelegt hat, was nach seinen bisherigen – wie wir inzwischen wissen, küchenphilosophisch begründeten – Äußerungen in solchen Fragen durchaus eine berechtigte Befürchtung ist. Was im Übrigen nicht ganz neu ist: bereits in den 1990er Jahren untersagte die Parteiführung der SPD ihren Leuten jegliche Diskussion mit NPD-Mitgliedern in Wahlkampfveranstaltungen, weil – jetzt kommt’s – „wir denen argumentativ unterlegen sind“. Also nix Brandmauer-Geschwafel – intern geben sich die Genossen deutlich ehrlicher.
Aber klammern wir das mal aus. Vielleicht könnte Habeck ja alle überraschen und mal was Vernünftiges sagen. Bei einer solche Paarung dürfte es schlimmer sein, dass Habeck sich nicht davor drücken könnte, sich mit den Auswirkungen seiner verheerend erfolgreichen Wirtschaftspolitik konfrontiert zu sehen. Aus der Schere – Massenentlassungen, keine Wohnungen, zunehmend mehr Obdachlose, keine bezahlbare Energie – käme wohl selbst John Maynard Keynes bei einem getanzten Duell mit Emilia Fester nicht ohne massiven Federverlust heraus. So besehen wird aus der Hosenscheißer-Nummer von Habeck nichts, denn kneifen, wenn man nur verlieren kann, ist eher Klugheit als Feigheit. Doch wie konnte es eigentlich dahin kommen?
Die Beantwortung der Frage fängt bei dem Format so eines Duells an, das reinen Unterhaltungswert, aber keinerlei Informationswert besitzt. Wenn man Merz gegen Scholz antreten lässt, ist sicher gestellt, dass die für den Bürger eigentlich wichtigen Themen gar nicht erst zu Wort kommen, denn die beiden sind sich in allem, was gegen die Bürger- und Landesinteressen gerichtet ist, einig. Da wird mit ein paar Vorwürfen à la „WO WAREN SIE DENN, ALS WIR …“, vorgetragen mit zornigen Mienen und roten Köpfen (noch ist nicht raus, welches Team Anton Hofreiter als Coach gewinnen konnte), die Spitze der Konfrontation erreicht sein. Das „Duell“ sollte man sich besser sparen und sich irgendeine Soap bei Netflix anschauen, denn anders als mit 0,3% Zuschauerbeteiligung kann man die Sender nicht abstrafen.
Da sich die Sender die Unterhaltungsshow nicht nehmen lassen wollen (ein Tatort fällt als Alternative aus, weil inzwischen jeder Kommissar (m/w/d) jeden anderen (m/w/d) mehrfach gefickt hat und die Zuschauer m/w/d) beginnen, sich zu langweilen), gibt es aber ein Problem. Wenn man die Nummer 1 und die Nummer 3 gegeneinander setzt, wo bleibt dann die Nummer 2? Nr. 1, 2 und 3 miteinander paaren? Ein Finanzbetrüger zusammen mit einem Finanzhai und einer Finanzberaterin? Immerhin wären die alle vom Fach. Aber vermutlich würde das schief gehen, weil dann die für den Bürger wirklich wichtigen Themen zur Sprache kommen würden. Fällt also aus.
Bleibt noch die Paarung Nr 2. gegen Nummer 4 (BSW lassen wir mal außen vor, denn dann müsste man auch den Kandidaten der Tierschutzpartei einbeziehen). Damit war der Schmutzfunk das Problem los, hat aber damit die Nr. 4 mehr oder weniger gezwungen, den Hosenscheißer zu geben. Erstaunlich, weil doch fast 70% der Belegschaft beim Schmutzfunk Grüne sind. Aber auch mit Bedacht: mit der Brandmauer-Begründung lässt sich leicht rechtgfertigen, dass man mit der Nr. 2 nicht redet, auf keinen Fall, nie. Die Grünenwähler schreckt das nicht groß ab, die Grünen wären (leider) trotzdem wieder im Bundestag und vermutlich auch in der nächsten Regierung. Aber dafür ist das Hauptziel erreicht: die Nr. 2 erhält gar keine Bühne, ihre Sachen vorzutragen, und das war wohl die eigentliche Absicht, wofür man doch gerne mal den Hosenscheißer gibt.
Aber reiten wir noch ein wenig weiter. Dagmar Henn meint, solche Fernseh-Formate seien ohnehin journalistisch mehr als fragwürdig, weil ja Parteien und nicht Köpfe gegeneinander antreten. Dem kann man aber entgegen halten, dass eigentlich doch Köpfe gegeneinander antreten, oder wie soll man die Kriegshetze eines Fritze Merz ((c) O. Scholz) verstehen, wenn 70% der CDU-Wähler und vermutlich auch ein ähnlicher Anteil der CDU-Mitglieder dagegen sind? Wie A.C.A.B. schon sagte: „die Meinung meiner Wähler interessiert mich nicht“, und die sagt nur, was alle anderen ohnehin denken. Und da meine ich, man solle es richtig machen, d.h. jeder gegen jeden, also
- Merz ./. Scholz
- Weidel ./. Habeck (und wenn der nicht kommt, „Weidel alleine zu Haus“)
- Merz ./. Weidel (…)
- Habeck ./. Scholz
- Weidel ./. Scholz (…)
- Habeck ./. Merz
Zeit genug wäre dazu, zumal man die Kampfzeit ja auch auf 1h begrenzen könnte. Informativ wäre es für den Bürger sicher. Und ändern würde es am Wahlergebnis definitiv nichts, wäre also auch völlig ungefährlich.