Autofahren ist nicht neu

Dichter Verkehr auch nicht. Die Ingenieure hatten somit viel Zeit, sich nicht nur mit der Konstruktion von Autos zu beschäftigen, sondern auch mit der Verkehrslenkung.

Wenn hohe Verkehrsdichten entstehen, gleichzeitig aber zügiges und gleichmäßiges Fahren möglich ist wie auf Autobahnen, kann man untersuchen, bei welcher Geschwindigkeit der höchste Fahrzeugdurchsatz möglich ist. Dabei spielt die Geschwindigkeit und der Sicherheitsabstand zwischen den Fahrzeugen eine Rolle. Der notwendige Sicherheitsabstand ergibt sich aus der Reaktionsverzögerung beim Bremsen des Vordermannes (oder der Vorderfrau) und dem Quadrat der Geschwindigkeit, weil beim Bremsen kinetische Energie umzusetzen ist, und die steigt gemäß der Physik quadratisch mit dem Speed. Berücksichtigt man beides, kommt man auf eine optimale Geschwindigkeit zwischen 60 km/h und 70 km/h, was in praktischen Versuchen verifiziert wurde. Bei geringeren Geschwindigkeiten fahren weniger Fahrzeuge über die Ziellinie, obwohl der Abstand geringer ist, bei höheren werden die notwendigen Abstände zu groß und es werden auch wieder weniger pro Zeiteinheit. Auf Autobahnen wird dem Rechnung getragen, indem je nach Verkehrsaufkommen auf geregelten Strecken bis auf 60 km/h herunter geregelt wird.

In Städten nimmt man meist etwas weniger, d.h. 50 km/h, um zu berücksichtigen, dass mehr Sicherheit notwendig ist (außer Autos gibt es ja auch noch andere Verkehrsteilnehmer) und außerdem durch Abbieger ohnehin der Fluß gebremst wird. 50 m/h auf normalen Straßen und 60-70 km/h auf Durchgangsstraßen versprechen auch hier den optimalen Durchsatz bei guter Sicherheit.

Wenn der Verkehr fließt, stellt sich die Frage nach einem optimalen Verhältnis zwischen Fahrtzeit, Verbrauch und Sicherheit. Die optimale Geschwindigkeit liegt heute aufgrund der optimieren Wind- und Rollwiderstände sowie der Motorleistung etwa bei 90-120 km/h. Bei 70 km/h wäre vielleicht etwas weniger Spritverbrauch drin, allerdings zu Lasten der Zeit und des Stressfaktors, der hier in schneller Ermüdung des Fahrers liegt. Bei höheren Geschwindigkeiten werden sowohl Verbrauch als auch der Stressfaktor höher, diesmal durch Anspannung, wobei die modernen Fahrwerke aber auch vieles bis ca. 150 km/h ausgleichen. Tempo 130 km/h auf Autobahnen als Richtgeschwindigkeit berücksichtigt diese Erkenntnisse, geringere Maximalgeschwindigkeiten auf schmaleren Straßen (Temp 90-100 km/h) berücksichtigen wieder die Stress- und Sicherheitsfaktoren.

Bei Kreuzungsverkehr kann man sich fragen, wie hier die Fahrt zu regeln ist. Da die Fahrer immer eine Weile brauchen, bis sie begreifen, dass Grün gekommen ist (an der Ampel!), kann man für eine mittlere Auslastung (Stau vor der nächsten Ampel) berechnen, wie die Ampeln getaktet sein müssen, und unter Berücksichtigung des fahrerischen Schlaffaktors auch die Länge der Grünphase berechnen. So etwas nannte man früher „grüne Welle“, und an vielen Ampeln standen Zusatzlichtzeichen, die den Fahrern signalisierten, wie schnell sie fahren sollten, um nicht anhalten zu müssen. Heute sind bis auf wenige Ausnahmen solche Signalanlagen verschwunden.

Die Schaltung muss natürlich auch berücksichtigen, dass die Fahrzeuge auf den Nebenstraßen auch zum Zug kommen müssen. Insgesamt soll sich ein optimaler Fluss für alle ergeben. Auch darüber gab es viele Untersuchungen, die man heute als Ausgangspunkt für eine Echtzeit-KI-Lösungen der Ampelschaltung verwenden könnte, um wechselnde Verkehrslasten zu berücksichtigen. Leider gibt es anscheinend derzeit keine solchen Projekte.

Entschärfend auf Wartezeiten in den Nebenstraßen wirken natürlich auch Kreisverkehre, wobei aber auch hier nur ein bestimmter Auslastungsgrad zum Optimum führt, denn sonst wird der Hauptverkehr zu stark ausgebremst. In manchen Fällen wäre nichts oder eine Bedarfs-Ampel sinnvoller. Auch diese Fälle sind ingenieurtechnisch untersucht.

Nicht nur die Vorgehensweise bei einer Optimierung, auch was man falsch machen kann, ist durch die Untersuchungen bekannt. Übermäßige Geschwindigkeitsregulierung (viele Änderungen auf kurzen Strecken) führen zu diskontinuierlichem Fahren und erhöhenVerbrauch und Staugefahr. Nicht nur diskontinuierliches Fahren verursacht Stress bei den Fahrern. Aus Sicht der Fahrer völlig sinnlose Geschwindigkeitsregelungen erzeugen psychologisch zusätzlichen Stress, der sich nicht nur im Verkehr auswirkt. Nicht abgestimmte Ampelphasen bewirken, dass die Fahrzeuge an jeder Ampel anhalten müssen, zu viele Kreisverkehre auf kurzen Strecken ebenfalls. Zu geringe Geschwindigkeiten ohne Sicherheitsnotwendigkeit (30 km/h auf Hauptstraßen, eine Marotte, die immer mehr um sich greift) führen zu Stress, diskontinuierlichem Fahren, geringem Fahrzeugdurchsatz und Stau.

Die Gesetzmäßigkeiten sind über Jahrzehnte untersucht worden und daher gut bekannt. Um so erstaunlicher ist es, dass viele Kommunen und Ordnungsbehörden kaum eine Möglichkeit auslassen, den Verkehr ohne Notwendigkeit maximal zu behindern und damit neben dem Stress und der Fahrtzeit auch den Schadstoffausstoß, um den es ja immer geht, zu maximieren.