Daten von der Autobahn

Wenn vom Datenschutz die Rede ist, hat man in der Regel Google oder Facebook auf dem Schirm. Über die Internetprovider sieht man oft hinweg, weil man sich in der trügerischen Sonne der Datenschutzgesetze glaubt (ein Fehler), und die Automobilhersteller tauchen vermutlich in der Liste gar nicht erst auf.

Dabei wird im Straßenverkehr inzwischen gesammelt, was das Zeug hält, und zwar von jedem, der Gelegenheit dazu hat. Angefangen mit den Mautbrücken auf der Autobahn, die angeblich nur der Registrierung der LKWs dienen, aber, wie ein Projekt mit Studenten und Primitivsoftware gezeigt hat, ohne Probleme die Nummernschilder aller Fahrzeuge und die Gesichter der Insassen auf den vorderen Plätzen registrieren können. Auch wenn das Verkehrsministerium versichert, es seien gar nicht alle Brücken gleichzeitig in Betrieb, die anderen Ministerien angeschlossenen Nachrichtendienst nutzen das System, und das konnten sie bereits, bevor die Software der Verkehrsbeobachter überhaupt so weit war.

Zu den Mautbrücken gesellen sich zunehmend viele Kameras für die Verkehrsbeobachtung, die neben Daten für die Steuerung des Verkehrs auch gleich noch ganz andere Daten aufnehmen können. Nicht alle werden das tun, aber wo die Nachrichtendienste herankommen können, werden sie das tun. Selbst beim BND ist Hardware inzwischen einer der größten Haushaltsposten, und was werden sie wohl mit den Rechner tun? Berichte mit Word schreiben? Wer übrigens meint, die Kameras könnten das gar nicht: die Österreicher erfassen mit solchen Kameras die Mautplakette auf der Windschutzscheibe fahrender Fahrzeuge und prüfen sie auf Gültigkeit. Fehlen oder abgelaufen? Die Gendarmerie wartet schon an der nächsten Ecke.

Zu den Datensammlern haben sich heimlich in zunehmenden Maße die Kfz-Hersteller gesellt. Standort, Benzinverbrauch, Geschwindigkeit, Lenk- und Bremsverhalten und eine ganz Menge anderer Sachen wird teilweise im Minutentakt erfasst und in der Steuerung hinterlegt, um beim nächsten Werkstattbesuch ausgelesen zu werden, oder ab Mittelklassemodellen auf online per Funk an die Rechner der Konzerne übermittelt. Letzteres wird wohl der Standard werden, damit nicht der Besuch freier Werkstätten den Datenfluss unterbricht.

Die Daten werden nicht nur gesammelt, um die Fahrzeugsicherheit zu gewährleisten. Manche Hersteller können schlicht wichtige Funktionen blockieren, wenn der Inhaber beispielsweise die Leasingraten nicht zahlt. Leihwagenfirmen blockieren Fahrzeuge, wenn diese in anderen Gegenden eingesetzt werden als der Entleiher angegeben hat. Diebstahlschutz, aber auf jeden Fall peinlich und kostspielig für den Entleiher. Selbst neue Software wird unbemerkt von den Haltern auf die Fahrzeuge aufgespielt. Alles oft unter mininmalen Sicherheitsstandards: diverse Fahrzeugtypen sind inzwischen gehackt und ferngesteuert worden, und wenn Ihr Fahrzeug irgendwo liegen bleibt und zufällig eine Werkstatt in der Nähe ist, die den Schaden schnell und teuer behebt, könnte es auch sein, dass ein Mitarbeiter der Fahrzeugelektronik etwas von Fehlern erzählt hat und die Werkstatt die gefakte Meldung mit dem Auslesegerät löscht anstatt die teuren Teile auf der Rechnung einzubauen. Hirngespinste? Fragen Sie polnische oder italienische Kfz-Spezialisten.

Die aufgezeichneten Daten sind nicht nur geeignet, Garantieansprüche abzuwehren (Verdeck beim Cabrio kaputt? Das dürfen Sie nur bei max. 70 km/h schließen, und Sie fuhren 110 km/h!), sondern auch geeignet, die Fahrer durch ihren Fahrstilfingerprint zu identifizieren. Wir sind gar nicht mehr weit davon etnfernt, dass die nächste Abrechnung Ihrer Versicherung Punkte wie

  • Sie nutzen das Fahrzeug nur 40% der Zeit, 35% fährt Ihre Frau und den Rest teilen sich zu gleichen Teilen Ihre Kinder und Ihre Nachbarin (wehe, Sie haben beim Tarifabschluss etwas anderes angegeben!).
  • Sie sind ja 18.500 statt der vereinbarten 12.000 km im letzten Jahr gefahren!
  • Sicherheitsaufschlag wegen
    • 70% Landstraßenfahrten
    • 30% Geschwindigkeitsüberschreitungen
    • 20% zu geringer Sicherheitsabstand

finden. Ihr Tarif wird individuell, vermutlich danach auch der Tarif beim Ausleihen eines Fahrzeugs, und schon am ausgewiesenen Eurobetrag kann sich der Staat wiederum ein Bild über Sie verschaffen, wenn er die Kontenbewegungen bei Ihrer Bank kontrolliert (was die Finanzbehörden tun, weil sie es können und dürfen. Weshalb sollte sonst das Bargeld abgeschfft werden?).

Das Ausspähen geht weiter, und die Szenarien in meinen Büchern sind inzwischen wieder viel zu harmlos. Über die Datensammelei in Fahrzeugen wird man noch nicht mal informiert, es wird einfach gemacht. Das Fahrzeug gehört definitiv dem Käufer, die Daten werden als Eigentum der Konzerne betrachtet. Im Verhältnis: die Computerhardware gehört Ihnen, die Software dürfen Sie eigenlich nur nutzen, und alle sonstigen Daten auf der Festplatte gehören dem, der sie ausliest. Schöne neue Welt! Abstellen lässt sich das Datensammeln auch nicht. Datenfluss unterbrochen? Navi, Radio, Handy und diverse andere Sachen müssen dann nicht mehr funktionieren, wie der ADAC festgestellt hat.

Wichtiger Gesichtspunkt bei der Datensammelei aus gesetzlicher Sicht ist der Täterschutz. Anders ausgedrückt: alle anderen dürfen sammeln, der Halter aber noch nicht mal zum Eigenschutz. Dashcam im Auto, um Raser und Drängler zu überführen oder bei einem Unfall eine klare Rechtslage zu haben? VERBOTEN! Ein Anwalt, der lebensgefährliche Fahrweisen von Dränglern aufnahm und zur Anzeige brachte, wurde selbst empfindlich bestraft und abgemahnt, während die eigentlich Schuldigen trotz Gefährdung von Menschenleben ungerupft davon kamen (Quelle ADAC).