Die Schwarze Null

Deutschland prahlt ja gerne mit der „Schwarzen Null“ bei der Staatsverschuldung. Das sei ein Beweis für verantwortungsvolles Wirtschaften der Politik. Alle anderen EU-Staaten sind Verschwender, nur D nicht.

Nun, wenn man genau draufschaut, heißt die „Schwarze Null“ eigentlich Schuldenbremse und ist mitnichten eine schwarze Null. Der Trick, den sich Schäuble seinerzeit ausgedacht hat, um den Wählervolk vorzulügen, die Schulden würden nicht steigen, war lediglich eine Begrenzung der Netto-Neuverschuldung auf einen maximalen Wert. „Neuverschuldung“ sagt schon aus, dass trotzdem neue Schulden aufgenommen werden, und „netto“, dass es immer noch im mehr Geld geht als zurück gezahlt wird. Gekoppelt war das mit dem Begriff „Investition“, womit auch beispielsweise Straßenbau und -Erneuerung gemeint war. Bei einer Investition hat man ein Gut, beispielsweise ein Auto, das man nach Abzug der Abschreibungskosten immer noch verkaufen und wieder zu Geld machen kann. Versucht aber mal, eine Straße zu verkaufen! Investition ist also ein weiterer schwammiger Begriff im Getriebe.

Trotzdem sinkt derzeit die Schuldenlast im Schnitt um ca. 90 €/s, d.h. in ca. 630 Jahren wäre die Republik tatsächlich schuldenfrei, wenn das so weiter gehen sollte. Dabei handelt es sich aber nicht um einen tatsächlichen aktiven Schuldenabbau. Die Zentralbank betreibt eine Null-Zins-Politik und nimmt gar Negativzinsen, wenn man bei ihr Geld parkt. Versicherungen und Fonds müssen einen Teil ihrer Anlagen in Staatspapiere investieren – und sind so gewissermaßen mit Negativzinsen zwangsbeglückt. Die Staatsschulden sinken nur aufgrund der Zinspolitik – würde die EZB reale Zinsen nehmen, wie beispielsweise von den USA derzeit gefordert, auch D wäre schnell wieder auf der Pleite-Allee.

Zwar wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass tatsächliche Gelder zurück gezahlt worden seien (über das normale Maß hinaus). Aber auch das ist eine Lügennummer. Im letzten Jahr soll die Republik etwa 40 Mrd € außerplanmäßig getilgt haben, aber allein der Investitionsrückstau beim Staatsunternehmen Deutsche Bahn ist fast um ein Drittel höher als diese Summe. Schaut man die Verkehrsinfrastruktur, Schulen, Sozialausgaben usw. an, stellt man schnell fest: selbst wenn der Staat das Geld nicht zurückgezahlt, sondern ausgegeben hätte, würde immer noch das Meisten nicht oder unzureichend funktionieren und es sähe kaum weniger desolat aus als heute.

Trotzdem steht D noch vergleichsweise gut da, wenn man es mit F oder I vergleicht. Italien hat dazu keine Lust mehr und will mehr Geld ausgeben, wird aber von der EU gebremst. Ob mehr Geld ausgeben etwas bringt, sei einmal dahin gestellt. Da es nicht mehr Geld ausgeben darf, will man auf einen alten Trick zurück greifen. In den 1960er-Jahren – damals war die Größe der Geldscheine proportional zum aufgedruckten Wert und man konnte mit einem einzelnen 10.000 Lire-Schein auch eine Wand tapezieren (siehe Faltung).

Der Trick: jeder durfte Geld ausgeben, das etwa so aussah:

Die Banken druckten kleine Werte auf Klopapier mit dem Versprechen, den Schein bei Vorlage in echtes Geld einzutauschen (etwa so in der DDR, wenn man zwei Mark Ost für einen Kaffee in Ostberlin bezahlen sollte und fragte, ob man auch „echtes Geld“ verwenden dürfe). Nach 5 Besitzerwechseln sah der Schein so aus wie auf der Abbildung, und nach ein paar weiteren Stationen verschwand er einfach. Kleiner Betrag – weg damit. Im Grunde eine Art Negativzins, nur dass die Banken damit Geld verdienten und nicht der Staat.

Genützt hat das natürlich nichts. In Italien, Frankreich und anderswo kam es regelmäßig zum Währungsschnitt, und so mancher Deutsche in Frankreich war geschockt, wenn er für einen Kaffee 500 Francs bezahlen sollte und erst langsam mitbekam, dass damit alte Francs gemeint waren und nur 5 neue Francs, die im Grunde auch nichts mehr Wert waren, gefordert wurden.

Um sich gegen die Bevormundung der EU in Sachen Haushalt zu wehren fasst Italien ein Wiederaufleben der alten Praxis ins Auge. Nur dass dieses Mal anscheinend nicht (nur) die Banken Parallelgeld ausgeben, sondern der Staat selbst. Statt offiziellen Euro könnte es sein, dass man von italienischen Banken oder Geldautomaten Schuldverschreibungen des italienischen Staates ausgehändigt bekommt, einzulösen gegen echtes Geld bei der italienischen Staatsbank in Rom – womit das Problem beseitigt ist, denn niemand fährt nach Rom, um einen 100 € – Falschgeldschein gegen einen 100 € – Echtgeldschein einzutauschen, wobei letzterer in absehbarer Zeit vermutlich genauso wertlos sein wird wie die alten 5000 ff-Münzen, die man früher in Frankreich bekam.

Nützen wird das Spielchen vermutlich wenig, sondern allenfalls den Währungskollaps etwas nach hinten drücken (siehe dazu aber auch weiter unten in diesem Beitrag). Fast genauso mit dem Rücken zur Wand stehen die Franzosen und die Geschwindigkeit, mit der die Deutschen ihre Wirtschaft ruinieren, lässt auch nichts Positives vermuten. Wenn so weiter gemacht wird wie bisher, und nichts deutet auf ein Umdenken hin, kann man die Politik auch so deuten, dass die gesamte Euro-Zone oder zumindest die Hauptträger Deutschland, Frankreich und Italien gleichzeitig in Konkurs gehen werden, damit keiner so richtig mit dem Finger auf den anderen zeigen kann (oder jeder auf die beiden anderen).

Das deutsche Misstrauen gegenüber einem Währungsverfall wird immer mit der Hyperinflation 1923 begründet.

Die Gründe waren aber andere als bei der heutigen Inflation, die auf der Unfähigkeit und Korruption der Politik beruht. Die Verschuldungslage des Deutschen Reiches nach dem 1. WK war vergleichsweise noch die Beste bei allen europäischen Kriegsführenden und die Hyperinflation eine Folge der maßlosen Reparationsforderungen Frankreichs und Großbritanniens, die ansonsten pleite gewesen wären, weil die USA Stundung verweigerten. Schlechte Entscheidung, denn die USA wurde von der Weltwirtschaftskrise ziemlich nachhaltig getroffen und konnten sich erst durch den nächsten Krieg wieder erholen.

Kann man aus dem Schlamassel auch ohne Staatsbankrott, der immer der Bankrott des Mittelstands ist, wieder herauskommen? Kann man anscheinend: Hitler hat es innerhalb kurzer Zeit geschafft, NS-Deutschland wieder auf die Beine zu bringen. Das wird (natürlich) immer ganz anders dargestellt: der wirtschaftliche Erfolg sei eigentlich in der Weimarer Zeit bereits progammiert worden, und alles, was die Nationalsozialisten hinbekommen hätten, wäre reine Schau gewesen und ihnen nicht zuzuschreiben. Noch heute melden sich immer wieder Historiker zu Wort, die angebliche Leistungen zerpflücken und kein gutes Haar am NS-Staat lassen.

Daran stimmt mutmaßlich, dass eine wirtschaftliche Erholung bereits vor der Machtübernahme einsetzte und die NSDAP einige Stimmen kostete. Aber das ist Wahlanalyse von gestern, und die ist vermutlich nicht besser als die von heute. Fakt ist: die Reichsregierung war in den letzten Jahren vor 33 so in innere Intrigen verstrickt, dass eine konsequente Politik gar nicht möglich war, und NS-Deutschland war bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im Vergleich mit den europäischen Nachbarn um einige Jahre schneller. Da beim Begriff „Rechts“ grundsätzlich alles schlecht gemacht wird, sollte man den „Analysen“ der Historiker nur bedingt Glauben schenken. Die heutige „Sozialpolitik“ besteht nach wie vor aus einem Abbau der damaligen Sozialregeln, die für „Volksgenossen“ galt, zugunsten irgendwelcher nicht integrierbarer Ausländern, die keinen Cent zur Entwicklung beitragen.

Wo bleibt also die Schwarze Null heute? Hinsichtlich der Wirtschaft haben wir tatsächlich eine Schwarze Null: Null Entwicklung bei Schlüsseltechnologie wie Kernenergie oder IT-Technik, Null Absicherung der Energieversorgung, Null Investition in alte Schlüsseltechnologien wie den Automobilsektor, Null Investitionen in die verfallenden Strukturen, Null Ausbildung. Dazu kommt Null Anstrengung, den Sozialhaushalt unter Kontrolle zu bekommen. Der Ersatz in Rente gehender Mediziner liegt großenteils ebenfalls bei Null, d.h. auch die medizinische Versorgung ist eine absehbare Nullnummer. Der Anreiz für Investoren, hier ihr Geld arbeiten zu lassen, liegt inzwischen auf den meisten Gebieten ebenfalls bei Null. Selbst das Bemühen, einen neuen Präsidenten für die Null-Bock-Bewegung zu finden, scheitert inzwischen, weil keiner mehr Lust dazu hat.