Die Evolution der Gesellschaft

Die menschliche Gesellschaft hat im Laufe der Zeit mehrere Entwicklungsstufen durchlaufen, war aber jeweils über längere Zeiträume stabil, nachdem sie sich auf dem jeweils neuen Modell stabilisiert hatte.

Das ursprüngliche Modell ist das des Jägers und Sammlers, das mit einer geringen und sich selbst begrenzden Gesamtbevölkerungsanzahl verbunden ist. Begrenzender Faktor ist die Ernährungslage, die stark schwanken kann. Biologisch führt dies zu einer relativ hohe Geburtenrate, um in guten Jahren vom Flaschenhals der genetischen Uniformität wegzukommen, der in schlechteren Jahren durch eine hohe Sterblichkeit begegnet wird. Das einzelne Leben ist von begrenztem Wert, die Gesellschaft aber wenig aggressiv, da das Regulativ die Umwelt ist und genetische Auffüllung durch andere Stämme biologisch sinnvoller als gegenseitiges Ausrotten.

Mit dem Übergang zur Hirten- und Landwirtschaftsgesellschaft wird das Umweltregulativ teilweise ausgeschaltet. Die Bevölkerungsdichte wird höher, bleibt (blieb) aber über Jahrtausende ebenfalls erstaunlich stabil, wie Schätzungen von Archäologen und Anthropologen zeigen. Die hohe Geburtenrate bleibt, da biologisch bedingt, das Regulativ sind aber nun Seuchen, die sich durch die dichtere Besiedlung leicht ausbreiten können, und, da das alleine nicht genügt, starke gesellschaftliche Aggression: man bringt die Nachbarn so lange um, bis ein gewisssen Gleichgewicht an Ernährungsgrundlage und Bevölkerungsdichte erreicht ist. Das einzelne Leben in dieser Gesellschaft ist weiterhin von sehr begrenztem Wert: wenn von 10 oder mehr Kindern letztlich 2 überleben, genügt das, und man bindet sich emotional nur begrenzt an den Nachwuchs.

In der nachfolgenden Gesellschaftsform, an der sehr lange in der einen oder anderen Art herumexperimentiert wurde (partiell bereits in der Antike), die aber in ihrer eigentlichen Ausprägung kaum mehr als 150 Jahre alt ist, wird durch bessere Hygiene und Wissenschaft das Sterblichkeits- und Ernährungsproblem beseitigt. Mit einigen Nachteilen: die Nahrung verliert ihre biologische Vielfalt und wird sehr empfindlich: Getreide beschränkt sich auf wenige genetisch einheitliche Arten und muss chemisch (mit zunehmenden Problemen) geschützt werden, Fleisch kann praktisch nur noch unter Quarantänebedingungen produziert werden. Die starke Vermehrung der Bevölkerung kann nur noch durch immer brutalere Kriege unter Kontrolle gehalten werden. Allerdings ist das nur der Anfang weiterer Umwälzungen.

Da insbesondere die Kindersterblichkeit sinkt, gewinnt das individuelle Leben an Bedeutung. Man bindet sich emotional stärker an weniger Kinder, und da dem Menschen auch mehr Raum der persönlichen Entfaltung eingeräumt werden kann, je höher der Technisierungs-/Zivilisierungsgrad wird, kann die Bevölkerungszahl sogar sinken. Dies ließ sich insbesondere in den westeuropäischen Staaten in den letzten Jahrzehnten beobachten: Deutsche, Franzosen und andere wurden weniger. Wenn man genauer hinschaut, ist dieser Effekt davon abhängig, wieviel individuellen Freiraum man den Menschen gewährt. Einfach gesprochen: wenn man ins Kino gehen oder in Urlaub fahren kann, macht man das, aber wenn Ficken der einzige Ausgleich zum tristen Alltag ist …

Je nach Sichtweise ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen oder wird durch die Digitalisierung auf eine neue Stufe gehoben. Traditionell muss man die Leute ja beschäftigen, also in Arbeit halten, und der Verdienst muss so sein, dass die Individualität auf die Vermehrungsrate Einfluss nimmt und Aggression vermindert. Bereits heute haben aber viele Leute Bullshitjobs, die wenig befriedigen, und die Digitalisierung wird es erlauben, noch mehr Arbeit von den Maschinen erledigen zu lassen. Der Mensch wird freigestellt oder – nach den derzeitigen Wirtschaftsmodellen – in Bullshitjobs beschäftigt. Was das ist, wird hier ganz treffen beschrieben:


Bislang gibt es keinerlei Bildungs- und Wirtschaftsmodelle, die diese Entwicklung berücksichtigen. Aber ok, dazu gibt es ja die Zukunft.

Sehr viel problematische ist allerdings eine ganz andere Sache. In einem Anflug völliger Irrationalität werden Teile der Gesellschaft 3.0 nämlich in die Gesellschaft 2.0 exportiert, mit möglicherweise sehr fatalen Folgen. Primitive Gesellschaften in dem Sinn, dass die Technisierung gesellschaftlich abgelehnt wird und eine hohe Kinderzahl weiterhin das A und O ist, werden in dem Sinn „unterstützt“, dass von 10 Kindern nun 9 am Leben bleiben und nicht nur 2. Die Folge ist eine Bevölkerungsexplosion, die dazu führt, dass die parallele gesellschaftliche Entwicklung zur Moderne unterbleibt und inzwischen Ausmaße annimmt, die selbst mit den technischen Mitteln der Kriegsführung nicht mehr kontrollierbar ist. Die Irrationalität liegt darin, dass bei dem Blick auf den Wert des einzelnen Lebens, dass sich in der modernen Industriegesellschaft ausgeprägt hat, der Blick aufs Grobe völlig verloren wurde – mit fatalen Folgen.

Ein Beispiel mag das verdeutlichen: in der Flüchtlingskrise wird stets von den bedauernswerten Einzelschicksalen berichtet. So wird jeder in Mittelmeer ertrunkene Flüchtling zu einem Desaster aufstilisiert (was es ja auch ist), dass zur Begründung missbraucht wird, man müsse die Leute retten und aufnehmen. Schaut man auf die Zahlen, stellt man aber fest, dass die Wahrscheinlichkeit, zu Ertrinken, selbst zu den schlimmsten Zeiten etwa bei 2% lag und damit nicht größer war als unter den Bedingungen der Herkunftsländer ein ähnliches Schicksal zu erleiden. Dagegen stand eine mehr als 90%-ige Wahrscheinlichkeit (unter Berücksichtigung der Abschiebungs- und anderer Gefahren), für sein Leben ausgesorgt zu haben. Die Leute haben trotz allem auch Internet, und letztlich hat dieses Gutmenschentum, wie es heute genannt wird, mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass trotz der Rettungsaktionen wesentlich mehr Menschen ertrunken sind als wenn von vornherein die richtigen Signale gesetzt worden wären.

Derzeit geht auch niemandem in der Gutmenschenriege die Irrationalität auf, dass Leute, die es über die Grenze schaffen, hier bedingungslos mit Wohltaten überschüttet werden, während jenseits der Grenze doch bitte andere dafür sorgen sollen, dass diese dicht bleibt. Schaut doch jemand darüber, geht es wiederum um tränendrüsenreizende Einzelschicksale, die gemildert werden müssen, während passende Maßnahmen für die ganze Gesellschaft mit Denkverboten belegt werden.

Die Frage ist nun, wo der Zug hinfährt. Oben habe ich ein Entwicklungsmodell von Gesellschaft 3.0 auf 4.0 oder wenigstens 3.5 beschrieben, das aus unserer Sicht eigentlich erstrebenswert wäre. Nun wird unsere Gesellschaft derzeit massenhaft mit Leuten aus der Gesellschaft 2.0 geflutet, und es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich bei denen etwas weiter entwickelt. Im Gegenteil! Wesentliche Bestandteile der Gesellschaft 2.0 wie das vorsintflutliche Islammodell wird in Teilen unserer Gesellschaft geradezu abgöttische verehrt. Im Moment sieht leider ein Gesellschaftsmodell 2.1 wahrscheinlicher aus als eines >3.0.

Gesellschaftsmodell 2.1 kann man sich im Kino anschauen. Es handelt sich um eine 3-Klassen-Gesellschaft:

  • An der Spitze stehen wenige Superreiche, die in jeglichem nur denkbaren Luxus leben.
  • In Klasse 2 befinden sich die Schergen der Klasse 1, deren Wohl und das ihrer Familien vom Klassenerhalt abhängen und die jedem Befehl ihrer Gönner bedingungslos folgen.
  • Die Masse darf im Dreck vor sich hinleben und verrecken und wird so weit veralimentiert und gesteuert, dass sie relativ ruhig bleibt. Irgendwie Leben nennen kann man das eigentlich nicht. Je nach technischem Stand sind zwei Spielarten denkbar:
    • Sklavendasein, das es heute bereits vielfach gibt und in etwa den Zuständen im römischen Imperium ähnelt.
    • Ein kaum weniger tristes Dasein, wie es in Judge Dredd und ähnlichen Filmen beschrieben wird.

Im Moment steht die Sache auf der Kippe: wird sich die Menschheit irgendwie weiter in Richtung der Stufe >3.0 entwickeln, oder war 3.0 zumindest in Europa nur ein „Ausrutscher“, der vom Gutmenschentum gegen die eigenen Interessen aus Kurzsichtigkeit korrigiert wird?