Die Weltkriegsschuld

Deutschland wird ja traditionell und von grünen Gutmenschen willig akzeptiert die Primärschuld an beiden Weltkriegen in die Schuhe geschoben. Was noch die harmlose Textversion ist. Historisch ist die Sache allerdings nicht so einfach.

1. Weltkrieg

Auslöser war wie bekannt der Anschlag in Sarajewo auf den (im übrigen relativ ungeliebten) österreichischen Thronfolger durch serbische Nationalisten, hinter denen wiederum der serbische Staat selbst steckte. Der Anschlag war der Endpunkt einer langen Kette von terroristischen Provokationen, an dem den Österreichern schließlich gewissermaßen der Kragen platzte. Sie stellten den Serben ein Ultimatum.

Hinter den Serben stand wiederum Russland, das Serbien lautstark seine Unterstützung im Falle eines österreichischen Angriffs versicherte, was wiederum Deutschland dazu brachte, den Österreichern Unterstützung zuzusichern – die so genannte Blanko-Vollmacht, die allerdings nur bedingt eine Blankvollmacht war.

Russland wiederum stand kurz vor dem Kollaps. Die inneren Probleme waren riesig, und es war vollständig abhängig vom französischen Kapital. Russland wäre vermutlich so oder so ein paar Jahre später kollabiert, mit entsprechenden Folgen für den Kapitalgeber Frankreich. Den Franzosen war das sehr forsche Auftreten Russlands trotz (oder gerade wegen) des maroden Staatssystems daher sehr Recht, und zwar noch aus einem weiteren Grund.

Die Franzosen wollten Rache für 1870/71, auch weil Deutschland das Elsass und Lothringen gestohlen hatte. Was aber auch nicht stimmt, denn die Gebiete gehörten zu Schwaben und waren damit Deutsches Reichsgebiet, was an den Ortsnamen noch heute leicht zu erkennen ist. Im 30-jährigen Krieg, vordergründig ein Religionskrieg, aber eigentlich ein Krieg der Habsburger gegen die Bourbonen unter Beteiligung der Engländer um die polittische Vorherrschaft, hatte sich die französische Krone die Gebiete unter den Nagel gerissen. Aus deutscher Sicht war 1870/71 ein Rückholen alten Reichsgebiets, was die Franzosen aber nicht so sahen. Egal – die Franzosen wollten Revange, waren aber alleine den Deutschen nicht gewachsen, also kam ihnen ein Krieg auf der anderen Seite der Reiches ganz Recht, so dass sie Russland aufmunterten.

Letzte im Bunde waren die Briten, denen die Deutschen ebenfalls ein Dorn im Auge waren. Wirtschaftlich waren sie längst von den Deutschen überflügelt, und die im Nachhinein recht unseligen Flottenprogramme der Deutschen sahen vor, bis 1928 mit den Briten gleichzuziehen, was diese auf diesen Zeitraum gesehen wirtschaftlich nicht hätten verhindern können. Eine Schwächung Deutschlands kam ihnen gerade Recht, so dass auch sie auf Seiten der Russen und Franzosen kräftig den Zwist schürten.

Zurück zu den Serben, die jeden Kompromiss mit den Österreichern ablehnten. Im Gegensatz zur Blanko-Scheck-These versuchte die deutsche Regierung die Österreicher und via Russland auch die Serben zum Einlenken zu bekommen. Erfolglos. Die Österreicher wollten sich lästigen Serben endlich vom Hals schaffen, die russische Regierung sah aufgrund der innenpolitischen Lage kaum noch einen anderen Weg als weitere Eskalation und blockten ab. Die Österreicher schlugen schließlich gegen Serbien los.

Im Gegensatz zur preußischen war die österreichische Armee mehr oder weniger eine Opernballtruppe. Schon mit den Serben hatte sie äußerste Mühe. Vermutlich hätte eine Unterstützung der serbischen Armee durch die Russen genügt, die Sache schließlich zu terminieren, doch die Russen schlugen ihrerseits gegen die Österreicher zu, was diese in militärisch eine üble Lage brachte. Der Kriegsschauplatz gegen die Österreicher hatte allerdings eine offene Flanke gegen die Deutschen, die bei zu starken österreichischen Gebietsverlusten die russischen Armeen hätten abschneiden können. Noch während die Verhandlungsbemühungen der Deutschen liefen, schlugen die Russen daher in Ostpreußen ebenfalls zu – ohne Kriegserklärung.

Da Frankreich wohl nicht lange auf sich warten lassen würde, erklärte Deutschland seinerseits Frankreich den Krieg und rückte nach dem Schlieffenplan vor, der eine umfassende Zangenbewegung über Belgien und Nordfrankreich vorsah. Das konnte nur klappen, wenn man einen Vorsprung hatte, deshalb die deutsche Kriegserklärung an Frankreich. Eigentlich sollten die Briten im Norden Sicherungsmaßnahmen übernehmen, waren aber wie üblich nicht lieferfähig. Belgien und Nordfrankreich wurden überrollt, doch die damalige Beweglichkeit der Armeen war dem Plan nicht angemessen. Teilweise rissen die Verbindungen zu den Truppen ab, der Nachschub schien ein Problem zu werden, und die deutsche Heeresleitung verlor die Nerven und befahl den Rückzug – das „Wunder an der Marne“. Hätte man die Fronttruppen machen lassen – der Krieg wäre noch 1914 zu Ende gewesen. So konnten sich die Franzosen neu formieren und wurden langsam durch britische Truppen verstärkt.

Im Osten brach Russland zusammen, was den Deutschen die Möglichkeit eröffnete, Truppen nach Westen zu verlagern. Allerdings nicht ganz: Trotzky verzögerte die Verhandlungen, bis den Deutschen der Kragen platzte und sie im Osten weiter vorrückten. Ironischerweise wurde schließlich etwa das gleiche Gebiet kontrolliert, dass auch 1942 unter deutsche Kontrolle stand, also bis in den Kaukasus. Allerdings band das Truppenkontingente, so dass der letzte Angriff der Deutschen 1918 am Chemin des Dames nicht den erhofften Waffenstillstand erbrachte, weil die Entente auch zu ausgelaugt gewesen wäre, weiter zu machen. Ausschlaggebend waren schließlich 2 Millionen US-Amerikaner, was die Kräfteverhältnisse entgültig verschob und Deutschland zur Kapitulation zwang.

Die kamen allerdings nicht von ungefähr. Während die Deutschen den Krieg noch bis ins Jahr 1917 hinein mehr oder weniger glatt finanzieren konnten, waren insbesondere die Briten bereits 1915 pleite (wie 1940 wieder) und von US-Krediten abhängig. Den Franzosen ging es nur unbedeutend besser. Ein deutscher Sieg oder auch nur ein für das deutsche Reich günstiger Ausgang gefährdete die US-Kredite, was Wilson schließlich zur Kehrtwende und zum Eintritt in den Krieg veranlasste. Es wird immer viel über die Wilsonschen Punkte geredet, die später nicht eingehalten wurden, aber das war wohl auch nicht beabsichtigt, denn gerade die USA bestanden besonders hart auf den deutschen Reparationszahlungen, selbst dann noch, als Briten und auch Franzosen einlenken wollten. Follow the Money.

Halten wir also fest: es waren eine ganze Menge Leute an der Entfachung des Krieges beteiligt, wobei das Deutsche Reich vermutlich die geringste Motivation hatte, in so etwas reinzuschlittern. Österreich wollte, die Russen mussten, den Franzosen kam es zwar recht, aber sie verrechneten sich in der deutschen militärischen Stärke, die Briten wollten wie häufig die anderen aufeinander einschlagen lassen und verrechneten sich ebenfalls, und die USA räumten bei allen die Konten ab.

2. Weltkrieg

Der Weg zum 2. Weltkrieg wies gewisse Parallelen auf. Ich halte mich allerdings hier kürzer. Die Rolle Serbiens übernahm Polen, nach dem 1. WK als Staat neu entstanden. Der Versailler Vertrag sah bindend eine ganze Reihe von Abstimmungen und Gebietsrevisionen vor, beispielsweise in Oberschlesien und Danzig. Während Litauen beispielsweise die Abstimmungen im Memelland akzeptierte und die Gebiete an das Deutsche Reich zurückgab, verweigerten die Polen kurzerhand jegliche Einhaltung des Vertrages. Immer wieder kam es in Polen zu ausgedehnten Pogromen an Volksdeutschen mit ziemlichen Massakern sowie zu Diskriminierungen großen Ausmaßes.

Hitler war an einer Verbesserung der Beziehungen interessiert. Gebietsansprüche stellte er nicht, abgesehen von einem Korridor nach Ostpreußen, was nicht viel anderes sein sollte als eine Bahnlinie oder Straße, die ohne polnische Kontrollen von den Deutschen benutzt werden konnten. Franzosen und Briten hatten dafür bis 1938 auch durchaus Verständnis. Der Umkehrpunkt war hier die „Zerschlagung der Resttschechei“ – den Anschluß Österreichs und des Sudentenlandes hatte man in London noch als legitim akzeptiert. Die Zerschlagung der Tschechei führte aber dazu, dass die Briten von Appeasement auf War umschalteten, wie üblich aber nur diplomatisch.

Wie Russland vor dem 1. WK die Serben hetzten die Briten nun die Polen auf. Von Ende 1938 bis zum Kriegsausbruch folgte Angebot auf Angebot durch Hitler, einen Nichtangriffspakt (abgeschlossen und von Polen wieder gekündigt) und eine deutsche Garantie für Polen (der polnische Korridor zur Ostsee sowie eine Garantie gegen Russland) inbegriffen. Brüske Ablehnung und weitere Pogrome setzen Hitler unter Druck. Die britische Diplomatie tat hinter den Kulissen alles, um einen Beruhigung der Lage zu verhindern. Mit hineingezogen in dieses Spiel wurden die Franzosen, die im Falle eines Krieges die Kastanien aus dem Feuer holen sollten, aber diesmal gar keine Lust dazu hatten.

Wie die Pläne auch ausgesehen haben mögen, sie gingen schief. Hitler schlug gegen Polen los, zum Teil wohl auch, um einem Gesichtsverlust zu entgehen. Das war natürlich alles andere als korrekt, doch muss man bemerken, dass seit 1945 die Amerikaner jeder Menge Kriege in der gleichen Art und Weise (Überfall) bei deutlich weniger Provokation angefangen haben. Womit keiner gerechnet hat: bevor die widerwilligen Franzosen die wenigen deutschen Divisionen im Westen überrennen konnten, war die Wehrmacht mit den Polen fertig. Sitzkrieg im Westen war angesagt.

Bis zum Frankreichfeldzug liefen weitere diplomatische Versuche des Deutschen Reichs: Hitler bot eine Restitution Polens, einen Friedensvertrag und eine gemeinsame Garantie für Polen (gegen Russland) an. Stalin hätte sich wohl kaum gegen alle Westeuropäer stellen können und das besetzte Gebiet wieder herausrücken müssen, aber die Briten und die polnische Exilregierung lehnten jede Verhandlung ab. Das Spiel wiederholte sich später mehrfach: bis zum Kriegsende erreichten die deutschen Friedensangebote (unter Ausschluss von Russland), jeweils unterbreitet, wenn Deutschland gewissen militärische Erfolge hatte, fast die Anzahl von 50.

1940 wurde Frankreich überrannt. Wieder unter Bruch des Völkerrechts: die Niederlande, Belgien und Norwegen wurden besetzt, wobei die Deutschen allerdings in allen Fällen den Briten zuvorkamen. Die konnten wie im 1. Weltkrieg mal wieder nicht liefern, was zusammen mit der französischen Unlust zum schnellen Zusammenbruch im Westen führte. Und wieder waren die Briten bereits 1940 pleite: Churchill verpfändete bis 1943 das gesamte Tafelsiber an die US-Amerikaner; nach dem Krieg war alles weg, was vorher den Briten gehörte. Und wieder kann man sagen: Follow the Money! Hitler war dumm genug, den Amerikanern nach Pearl Harbour den Krieg zu erklären, was diese zum Anlass nahmen, sich Deutschland stärker zur Brust zu nehmen als die Japaner. Schließlich mussten im Westen wieder einmal die Investitionen geschützt werden, die mit einer Niederlage der Briten verloren gegangen wären.

Im Osten erfolgte 1941 der Angriff auf Russland. Innerhalb kurzer Zeit wurden riesige Gebiete besetzt und Unmassen von russischen Gefangenen gemacht. Auch das verlangt nach einer Interpretation: diese Erfolge waren möglich, weil eine Offensive in eine offensiv aufgestellte Armee hineinrauschte. Gegen eine defensiv aufgestellte Armee wäre das leichte Vorgehen kaum möglich gewesen, die Wehrmacht hätte sich sehr viel früher festgerannt. Es spricht alles dafür, dass Stalin seinerseits um 1943 Deutschland angegriffen hätte.

Fazit: Hitler hat mehrfach gesagt, dass er in einem Krieg hineingeschlittert ist, den er eigentlich gar nicht (so) haben wollte. Ideologisch und von seinen Handlungen her gesehen sieht das natürlich nicht danach aus. Doch auch hier muss man feststellen, dass eine ganze Menge weiterer Interessenten mit an der Spirale, die schließlich zum Angriff auf Polen führten, gedreht haben und auch hinterher nicht an einer Deeskalation interessiert waren.

Geschichte wird vom Sieger geschrieben

Deutschland hat beide Kriege sehr gründlich verloren. Beide Kriege stellen insofern eine Cäsur in der Geschichte dar als es bis dahin nicht üblich war, einen Staat dermaßen gründlich zu zerschlagen. Zur Erinnerung: 1871 blieb Frankreich trotz der Niederlage, der Gebietsabtretung und der Reparation souverän und handlungsfähig; die Bedingungen waren vergleichsweise moderat. Die „Friedensbedingungen“ 1918 lähmten den deutschen Staat aber komplett, die Ausgliederung eindeutig deutscher Gebiete östlich der Oder nach 1945 war ebenfalls bis dahin unüblich. Deutschland hat seine Souveränität bis heute, mehr als 70 Jahre nach Kriegsende, nicht wiedererlangt.Die Kriegsschuldfrage, 1919 durch den Versailler Friedensvertrag festgelegt, ist im 2. WK in einem GG-Artikel berücksichtigt, der Deutschland zwingt, die Ergebnisse der Nürnberger Prozesse als einzige Wahrheit anzuerkennen.

Gerne wird an dieser Stelle gesagt, das sei alles revisionistisch und man müsse doch die Verbrechen der Vergangenheit anerkennen und ansonsten die Schnauze halten. Nun, darauf ist zu erwidern, dass die Verbrechen, die das NS-Regime verübt hat, durch solche Betrachtungen gar nicht in Frage gestellt werden. Gleichwohl ist es doch wohl legitim, die Details zu untersuchen. Bildlich gesprochen: wenn jemand eine Dose Cola geklaut hat und erwischt wird, muss er auch dazu stehen, aber nicht zusätzlich auch noch für den ganzen Kasten einstehen, den ein anderer mitgenommen hat.