Sex nur mit Vertrag

Eigentlich hätte ich für diesen Beitrag eine neue Kategorie „Wahnsinn“ einrichten müssen. Ich habe ihn dennoch unter „Gesellschaft“, „Politk“ und „Recht“ verbucht.

Ausgerechnet im Mutterland des Schweden-Pornos – Schweden – hat das Parlament mit Zustimmung aller Parteien ab Mitte 2018 die härtesten Sexualgesetzte weltweit beschlossen. Danach müssen sich sexwillige Partner vor dem Akt die ausdrückliche Genehmigung dazu vom anderen einholen. Ein „Nein“, wenn der keine Lust hat, genügt nicht, sondern es muss eine ausdrückliche vertragliche Zustimmung sein – jedes mal. Mag man es noch als eigenartig empfunden haben, dass ein Julien Assange der Vergewaltigung von zwei Prostituierten, die er sich eben zum Zwecke des Geschlechtsverkehrs auf sein Zimmer bestellt und dafür bezahlt hat, bezichtigt wird, oder es auch als merkwürdig empfinden, dass sich Prostituierte in Schweden freizügig anbieten dürfen, die Inanspruchnahme der Dienstleistung aber streng bestraft wird – das nun bis ins private Schlafzimmer reichende Gesetz setzt dem noch einiges drauf.

Es scheint jedoch dringen notwendig zu sein, dauert es doch nach Ausführungen einer Grünen Feministin oft „Tage, wenn nicht Wochen, bis den Frauen bewusst wird, dass sie vergewaltigt worden sind„. (Ja, hat die Dame tatsächlich in Interviews und Befragungen so geäußert. Nein, das ist kein Witz) Alleine das wirft schon mehr Probleme auf, als es löst. Mag man die Teilnahmslosigkeit der Partnerin nun getrost auf deren Langsamkeit zurückführen, anstatt an der Qualität seiner bettlichen Bemühungen zu zweifeln, stellt sich aber schon beim synchronen Stöhnen die Frage, ob der aktuelle Akt oder der vor zwei Tagen damit abgegolten wird. Und ist die Vorliebe von Frauen für Schuhgeschäfte wirklich auf eine Vorliebe für Schuhe zurückzuführen, oder handelt es sich um eine einfache Methode, seiner Verzückung über den endlich im Lustzentrum angekommenen Sexakt der letzten Woche unauffällig Ausdruck zu geben? Und muss man misstrauisch werden, wenn man seine Frau im Schuhgeschäft erwischt, in der letzten Woche aber auf Dienstreise war?

Aber das sind nur die Nebenprobleme. Die Hauptkritik am schwedischen Gesetz kommt – nein, nicht von den Betroffenen, sondern von den Juristen. Immerhin muss man den Beischlaf ja vertraglich absichern, d.h. schriftlich oder per Handy-Video oder, wenn auch das ausfällt, vermutlich durch Klingeln beim Nachbarn und Abgabe einer mündlichen Erklärung, was man vorhat. Möglicherweise hat der sogar eine Möglichkeit, verdächtige Vorkommnisse irgendwo anzuzeigen, und wenn man dann den Mitarbeitern vom Amt nicht eindeutig nachweisen kann, dass ein Vertrag vorlag, ist wohl mindestens eine gebührenpflichtige Verwarnung fällig. Nach dem Gesetz gilt auf jeden Fall: kann man das Vorliegen einer ausdrücklichen Genehmigung zum Sex im Zweifelsfall nicht vorweisen, handelt es sich automatisch um eine Vergewaltigung. Eine Dokumentation der Angelegenheit ist also zwingend notwendig.

Gehen wir einmal davon aus, dass nach Abschluss der Verhandlung und Unterschreiben des Vertrages tatsächlich noch Lust vorhanden ist, kommt es zu weiteren Problemen, angefangen damit, dass man die Erfüllung eines Vertrages einklagen kann. „Nach dem Unterschreiben wollte ich dann doch nicht mehr“ ist glatter Vertragsbruch. Auf was hat der Betroffene dann Anspruch? Minderung (z.B. 2x Fummeln + 5x Essen)? Wandlung (z.B. sex mit der Schwester)? Oder kann man auch – auch diese Möglichkeit sieht das Vertragsrecht im allgemeinen vor – jemanden beauftragen, auf Kosten des Gegners den Vertrag zu erfüllen, entweder an einem selbst oder am widerwilligen Partner? Mit welchen Minderleistungen muss man sich zufrieden geben? Ist es zum Beispiel zumutbar, dass der vereinbarte Analverkehr durch Digitalverkehr abgegolten wird? Was macht man, wenn während des ganzen Gezappels plötzlich Lust auf Neues entsteht? Abbrechen und neu verhandeln? Und was macht man, wenn die Leistungen nicht zufriedenstellend waren? Hat man ein 14-tägiges Rücktrittsrecht? Schließlich handelt es sich ja um eine Art Haustürgeschäft. Und wenn nicht, so besteht immerhin eine Gewährleistungspflicht, d.h. der Partner muss nachbessern, notfalls auch wieder durch Dritte auf seine Kosten.

Immerhin, die Gesetze betreffen alle, also Zufallsbekanntschaften genauso wie langjährige, bis dahin glückliche Ehen, schwule wie lesbische Paare und natürlich auch vergewaltigte Männer, die wohl so etwas wie Samenraub geltend machen können (Boris Becker wäre vermutlich froh gewesen, wenn sein Blowjob bereits unter die Gesetze gefallen wäre). Ähnliche Regelungen gelten übrigens auch an einigen US-amerikanischen Hochschulen, an denen selbst Begrüßungen und Berührungen strengen Regulierungen unterworfen sind.

Eine Berufsgruppe dürfte allerdings von solchen Gesetzen profitieren. Lehrer sind künftig nicht mehr gezwungen, im Sexualkundeunterricht über Bienen und Blüten herumzudrucksen, da das Fach „Sexualkundeunterricht“ durch die Fächer „Sexualvertragsrecht“ und „Sexualstrafrecht“ ersetzt werden wird. Ich male mit das gerade aus, wenn der Lehrer vor 10-12 jährigen Schülern seinen Vortrag mit „Nach § 138 SVerR wird …“ beginnt.