#IMeToo

Man lächelt ja gerne über die verklemmte Zeit des viktorianischen 19. Jahrhunderts, als Eheleute sich siezten und Stühle mit Burka auftraten, da unverhüllte Stuhlbeine angeblich sexuelle Gelüste auslösten. Nach dem freizügigen Zwischenspiel von Flower-Power und Freificken, das selbst bei Bonobos Erstaunen ausgelöst hätte, sind wir nun wieder in einer Zeit angelangt, in der sich die Merkwürdigkeiten die Klinke in die Hand geben.

Kaum einer dieser steifen ARD- oder ZDF-Krimis, in dem sich nicht wie in fast jeder Werbesendung für Aknemittel zwei Mäner oder zwei Frauen gegenseitig die Zunge in den Hals stecken, und stösst man beim Zappen auf einen dieser kulturell wertvollen Sender mit einer Übertragung einer modernen Schauspielinszenierung eines Schiller-Dramas, so ist das zwar nicht krebs-, aber oft ekelerregend, und man fragt sich, wo eigentlich noch die Unterschiede zwischen seriösen Schauspielern und Porno-Darstellern liegen. Frauen (und auch Männer) bretzeln sich in der Öffentlichkeit lasziv auf, so dass man, wenn man nach einem Vergleich sucht, schon die minoische Kultur Kretas bemühen muss, in der Frau barbusig auftrat, oder Altägypten, in dem die Kunst des stofflichen Nichts wohl auch sehr gepflegt wurde. Schönheitsköniginnen von den hinteren Rängen hüpfen schratmäßig mit nacktem Oberkörper und wippenden sekundären Geschlechtsmerkmalen über Kirchplätze, um gegen zölibatäres Festhalten in der katholischen Kirche zu protestieren. Aber wehe, man nimmt das so, wie es sich darstellt.

Da is die Journalistin, die sich nach Geschäftsschluss an den Politiker an der Bar heranmacht, dann aber statt politischer Geheimnisse zu hören bekommt, sie habe eine respektable Oberweite. Nun, die muss ja nun wohl auch so präpariert worden sein, dass man sie unmöglich übersehen kann, aber was macht die Dame? „Ooh … Ich bin sexuell belästigt worden … So ein Scheusal … “ (das Ganze im Tonfall von Rüdiger Hoffmann). Und auch die züchtige Dame, die anscheinend vom Schrank in ihre Hose springen musste, weil sie sonst nicht hineingekommen wäre, und die trotzdem im Bund nicht so hoch reicht, dass man nicht erkennen könnte, ob eine Intimrasur vorliegt oder nicht (das Top hört kurz unter den Brustwarzen auf), fühlt sich sexuell belästigt, wenn man/Mann hinter ihr herpfeift (Männer sind da schon ehrlicher: Wenn sie so rumlaufen, soll auch gepfiffen werden). Sexuelle Belästigung hier, sexuelle Belästigung dort, und nach ein nicht ernst zu nehmenden, aber von Feministinnen und männlichen Frauenverstehern natürlich toternst genommenen Studien ist mindestens jede dritte Studentin, vermutlich sogar jede dritte Frau bereits Opfer sexueller Belästigung geworden. Und im Moment tobt mit der Weinstein-Geschichte mal wieder die Sau durch die Medienlandschaft.

Was diese Leute nicht begreifen: Sie vergiften nur die Athmosphäre und tun denjenigen, die wirklich belästigt oder schlimmeres werden, einen Bärendienst. Ein paar Worte: sexuelle Belästigung! Oder nicht eher ein intellektuelles Armutszeugnis? Verbal kann man doch ebenfalls austeilen. Hinterherpfeifen oder nachgaffen: sexuelle Belästigung! Auch das kann man erwidern. Hand auf dem Po oder am Bein: sexuelle Belästigung! Gut, könnte situationsbereinigt eine sein, aber ein versehentlicher Ellenbogenstoß dürfte einem zu nahe gekommenen erheblich größeren Schaden zufügen. Der Bärendienst liegt darin, alles auf eine Eben zu nivellieren, und der Ruf „Hallo Schnecke!“ hat auf einmal das gleiche Gewicht wie eine versuchte oder ausgeführte Vergwaltigung oder Nötigung à la Weinstein. Personen, die Krebs haben, dürften sich mit Recht verarscht vorkommen, wenn jemand anderes eine Blase am Fuß von zu engen Schuhen als gleichwertiges Leiden ausgibt, und genau das wird mit „sexueller Belästigung“ gerade gemacht. Verschlimmert wird es meist auch noch damit, dass Dritte sich ungefragt einmischen. Wenn ein Kommentator in der ZEIT auf einer ganzen Seite fordert, zwischenmenschlichen Verkehr per schriftlichem Vertrag abzusichern und das anscheinend auch noch so meint, und zwar aus feministischer Sicht, dann sind wir wohl wieder in den verkniffenen Zeiten des 19. Jahrhunderts angekommen.

Schlimmer wird die Sache noch durch die Schariagerichtsbarkeit, die inzwischen auf diesem Gebiet herrscht. Kinderschänder oder Frauenmörder? Ja, da muss man doch Verständnis für die schwere Kindheit des Täters haben, besonders wenn er ein Ausländer ist. Falsches Wort benutzt oder den Körper berührt? Da wird inzwischen noch nicht einmal geprüft, ob das stimmt. In einem ordentlichen Gerichtsverfahren würden sich Kläger und Beschuldigter Auge in Auge gegenüber stehen müssen, in der Sexualscharia ist eine Verteidigungsmöglichkeit schlicht nicht vorgesehen. Arbeitgeber und gesellschaftliches Umfeld schließen den Beschuldigten schlicht aufgrund irgendwelcher Behauptungen aus, die in manchen Fällen noch nicht einmal von der Betroffenen selbst stammen, sondern von selbst ernannten Hütern der Moral, die das selbst nur gerüchteweise gehört haben. Rechtsstreit? So weit kommt es gar nicht. Peinlich, wenn es doch dazu kommt und sich dann in einem signifkanten Teil der Fälle herausstellt, dass es sich um falsche Behauptungen handelt. Denn auch dazu – jemandem eins auszuwischen – eignet sich die Scharia hervorragend. Josef Joffe berichtet in der ZEIT, dass das selbst bis zur Zensur von Büchern namhafter Wissenschaftler geht.

Ich habe kein Verständnis für den Hype, insbesondere nicht für den vorauseilenden politischen Gehorsam der Weicheifraktion. Wo etwas dran ist, gehört das abgestraft, aber zumindest prüfen muss man. Aber #IMeToo . Ich habe mich neulich vor lachen auf den Schenkel geschlagen. Politisch korrekt muss ich mich jetzt der autosexuellen Belästigung zeihen und mich mobben.