Reformationstag? Was gibt’s da zu feiern?

Vor 500 Jahren nagelte Martin Luther seine 95 Thesen an die Kirchentür in Wittenberg – Anlass zu einem bundesweiten Feiertag. „Luther und seine Mitstreiter leiteten die Spaltung der Kirche in Reformierte und Katholiken ein“, so ein bekannter ÖR-Sender. Quatsch!

Abgesehen von Adlatus Melanchthon hatte Luther keine Mitstreiter, und er war auch nicht der erste oder einzige. Nach dem Supergau der katholischen Kirche im 12. Jahrhundert – der Gott Mohammeds hatte den Gott Jesus`besiegt – taten sich vermehrt Zweifel an der katholischen Kirche auf. Abweichler wie Albigenser oder Katharer (teilweise gab es die schon vorher) wurden aber im wahrsten Sinne des Wortes ausgerottet. Eine Reihe von Ordensgründern waren geschickter und unterstellten sich Rom. Die französischen Könige hatten es verstanden, sich in ihrem Bereich das Sagen zu beschaffen, ohne mit Rom zu brechen, die englischen Könige verschafften sich eine Staatskirche. In England wirkten weitere Aufklärer wie Wycliff, in Böhmen kam es mehrfach zu Abspaltungen, am wirkungsmächtigsten Johannes Hus, dessen Anhänger, die Hussiten, gar nicht so einfach nieder zu knüppeln waren.

Nach diesen Vorläufern kommt die Zeit Luthers, neben Calvin, Zwingli, Erasmus und einigen lokalen Putschisten gegen die katholische Kirche, vorzugsweise in der Schweiz und in den Niederlanden. Keineswegs „Mitstreiter“ Luthers. Sie wachten eifersüchtig über ihren Gottesstaat, und vielfach war dieser auch nicht sehr vom heutigen IS zu unterscheiden. Man benahm sich auch sehr christlich und führte Glaubenskriege gegeneinander. Zwingli zettelte beispielsweise in der Schweiz Kriege mit dem Ziel der Zwangsreformation an und wurde während der Schlacht bei Kappel gefangen, getötet, zerstückelt, die Reste verbrannt und in den Fluss geworfen, die Asche dem Wind überlassen. Wie gesagt, alle waren überaus christlich.

Nun, ersparen wir uns die christlichen Details zu den „Mitstreitern“. Es gibt zwar DIE katholische Kirche, aber keine reformierte Kirche, sondern viele, die sich untereinander obendrein spinnefeind waren oder noch sind. Damit haben wir schon mal eine Fake News korrigiert. Kommen wir etwas mehr zu Luther selbst.

Dem drohte das gleiche Schicksal wie Hus: Durch den Kaiser unter Wortbruch verraten endete der auf dem Scheiterhauf in Konstanz (auch eine christliche Tugend, die Katholiken und Reformierte pflegten: Leute verbrennen. Natürlich nur Häretiker, also solche mit anderem Glauben. Wenn sie erwischt wurden, konnten sie abschwören – dann wurden sie vor dem Verbrennen mit der Garotte erwürgt – oder eben nicht, dann sparte man sich das mit der Garotte). Inzwischen hatten aber einige Landesfürsten, nicht zuletzt auch durch die anderen Beispiele, erkannt, welche Chance sich bot, wenn man Leute wie Luther unterstützte: Endlich Herr im eigenen Land ohne die katholische Kirche, die neben dem Geldabfluss auch gleich die Spionageabteilung für den Kaiser organisierte. Die Kulmination dieser Machtpolitik, den 30-jährigen Krieg, müssen wir hier nicht kolportieren, aber Luthers Landesherr hielt seine Hand über den aufmüpfigen Reformator.

Und der war im Weiteren auch recht erfolgreich, was er zu einem guten Teil seiner überaus geschäftstüchtigen Frau, einer weggelaufenen Zwangsnonne, zu verdanken hatte. Luther war mit dieser Beziehung in einer Zwangslage. Die Reformierten waren allgemein nicht weniger prüde als die Katholiken: Geschlechtsverkehr lenkte nur vom Wesentlichen ab, und wenn man dann einer im Bett wohl recht überzeugenden wie Frau Luther begegnete und neben den geistigen Ergüssen auch andere hatte, war das peinlich. Natürlich waren die Frauen daran Schuld, dass die Männer überall ihren … und so verketzerte Luther mehr und mehr die Frauen und stand schließlich den verbalen Exzessen, die von der katholischen Kirche seit eh betrieben wurden und heute im Islam immer noch präsent sind, in nichts nach. Luther war auch fest von der Existenz von Hexen (und Zauberern) überzeugt und hatte auch wenig gegen Hexenverfolgungen (eher im Gegenteil), die in der weiteren Geschichte unisono von Katholiken und den verschiedenen Reformierten durchgeführt wurden. Luthers Schriften über Hexen und Zauberer lesen sich nicht anders als der Melleus maleficarum, die „Strafmaßnahmen“ dagegen auch nicht, und die letzte Hexe landete schließlich auf einem „reformierten“ Scheiterhaufen.

Luther merkte auch schnell, weshalb er nicht brannte, und kippte auch genauso schnell in seiner Meinung um. Er sorgte dafür, dass Leute „zweifelhaften Glaubens“, deren Loyalität für seinen Beschützer zweifelhaft waren, von ihren Posten ohne große Proteste anderer entfernt werden konnten, und hob auch sein Verbot der Todesstrafe bald wieder auf, forderte sie schließlich sogar. Einen großen Verrat beging er an seinen Anhängern unter der Landbevölkerung, die aufgrund seiner Schriften mehr Rechte von den Landesherren forderten. Die diskutierten aber nicht, sondern schlugen die Bauern zusammen, was schließlich zu mehreren Bauernkriegen mit ca. 70.000 Opfern alleine in Süddeutschland führte. Luther vergaß prompt seine 95 Thesen, erklärte die Bauern für Terroristen und billigte das Zusammenschießen der schlecht bewaffneten Bauernhaufen auch unter Verrat.

Genauso schnell wandte sich Luther von den Juden, denen er anfangs neutral gegenüber stand, ab und verfasste eine Reihe von Schriften, die in Julius Streichers „Der Stürmer“ regelmäßig auf der Titelseite gelandet wären. Noch im späten 19. Jahrhundert, als nach den napoleonischen Eroberungen und Säkularisierungen wenig äußerer Grund mehr dafür vorhanden war, konnte sich der kaiserliche Hofprediger Adolf Stoecker in seinen antisemitischen Verbalexzessen gemütlich auf Luther zurückziehen, und auch dem starken Antisemitismus der Päpste in dieser Zeit bis hin zu Hitler passte der reformierte Antisemitismus recht gut in den Kram.

Was haben wir also zu feiern mit dem Reformationstag? Ein genauso rigides Unterdrückungsregime wie das der katholischen Kirche? Allerdings mit der Verbesserung, dass man das Land wechseln konnte, wenn man das Pogrom überlebte, natürlich unter Zurücklassung alles Eigentums (das Unrecht des NS-Staates an den Juden war jahrhundertelange europäische Praxis auch an Christen; einenSonderstatus der Juden gibt es in dem Sinn nicht). Hexenwahn, Frauenfeindlichkeit, Judenfeindlichkeit ohne merklichen Unterschied zu vorher? Noch mehr „Glaubenskriege“ mit in Summe Millionen von Toten? Eine zweite „bessere“ Kirche, die ebenso wie die katholische Kirche Waffen segnet und Kriege für gerechtfertigt erklärt?

Sorry, das einzige, was es zu feiern gibt, ist, dass der Bursche schon so lange tot ist. Nach dem 2. WK hat die Bedeutung der Kirchen glücklicherweise stark abgenommen, und wir haben wirklich zeitweise die Glaubesfreiheit erlebt, die manchen der französischen Revoluzzern von 1789 vorschwebte. Und was machen wir? Wir lassen zu, dass Glauben, also professionelle Ignoranz und Dummheit, wieder immer stärkeren Einfluss erhält. Und da die christlichen Kirchen irgendwie ausgeschissen haben, muss es nun die nächste mittelalterliche Religion bringen, der Islam. Man muss den Glauben eines arabischen Räuberhauptmanns achten, dessen Mittelpunkt ein heidnischer Altar in Mekka ist (Zentralheiligtum des Gottes Hubal), und vorsichtig sein, wenn man bezweifelt, dass die Erde eine Scheibe ist und Frauen nur ein halb so großes Gehirn haben wie Männer und deshalb nicht Auto fahren können. Und in den USA gipfelt das Wiedererstarken des Glaubens darin, dass Evolutionstheorie und die biblische Genesis gleichberechtigt nebeneinander gelehrt werden.

Eigentlich ist der Reformationstag kein Feiertag, sondern ein Trauertag – Trauer über die Dummheit der Menschen. Es ist schon Tradition, dass man den Blick bei der Suche nach Intelligenz stets nach oben in Richtung Weltall lenkt. Warum wohl?

 

[Quelle u.a. Karlheinz Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums, Band 8]