Weniger EU ist mehr

Die EU ist in einer ernsten Existenzkrise. Wenn schon Bratislava mit dem Resumé „wir haben alle kritischen Themen ausgeklammert, und keiner hat dem anderen was auf die Fresse gegeben“ als Erfolg gefeiert wird, geht es eher weiter bergab als bergauf.

Die Hauptverantwortlichen für den Kurs ins EU-Ende sitzen in Berlin und westlich davon, so europäisch sie sich auch gerieren mögen. Die EU ist eine Vertragsunion, und bei Verträgen sollten die Vertragspartner auch erwarten dürfen, dass diese eingehalten werden. Ob nun Euro-Krise oder Flüchtlingskrise – Merkel, Schäuble & Co haben sich einen feuchten Kehrricht um die Vertragsklauseln gekümmert. Und ausgerechnet diese Leute werfen nun den Oststaaten mangelnde Solidarität und Vertragsbruch vor, obwohl diese nichts anderes gemacht haben als sich an die Vertragsklauseln zu halten, seien es jetzt Gesetzesänderungen im eigenen Staat oder Flüchtlinge. Wenn dann noch einer der luxembuger Oberspinner, der an der Steuerhinterziehungsoase Luxemburg kräftig mitgearbeitet hat, herumschreit, man müsse Ungarn aus der EU werfen, ist es fast schon ein kleines Wunder, dass außer den Briten kein weiterer Staat ausgetreten ist.

Das Wunschmodell „EU-Staat“ kann ohnehin nicht funktionieren, grundsätzlich nicht. Dazu braucht man sich nur auf der Welt umzuschauen: in allen Staaten, in denen unterschiedliche Volksgruppen zusammengefasst sind, gährt es, von leichten Problemen bis hin zu Bürgerkriegen. Ein einheitliches VSE (Vereinigte Staaten von Europa) nach dem Vorbild USA würde postwendend noch stärkere Unabhängigkeitsbestrebungen auf den Plan rufen als jetzt schon vorhanden sind. Das wäre auch gar kein Wunder: welcher Deutsche würde es beispielsweise einem spanischen VSE-Präsidenten, der noch nicht mal Deutsch spricht, zutrauen, die spezifisch deutschen Belange so zu verstehen und so zu handeln, dass man sich als Deutscher nicht untergebuttert fühlt. Und für den Präsidenten muss man dieses Problem noch mit 26 multiplizieren, denn alle anderen Nationen außer seiner eigenen denken genauso.

Wenn man die EU retten will, ist  weniger notwendig statt mehr. Weniger in dem Sinn, dass die Funktionen auf das beschränkt werden, was alle Bürger als positiv empfinden können. Regelungen, die in einem Land sinnvoll sind, aber in einem anderen Quatsch, sollten verschwinden. Regelungen, die überzogen sind und auch anders durchgesetzt werden könnten, sollten ebenfalls verschwinden, denn das bedeutet weniger Bürokratie, und die alles lähmende Bürokratie in den EU-Ländern ist eine wesentliche Bremse. Ein paar Beispiele:

  • Der Euro ist als Idee im Prinzip ja gar nicht so schlecht, aber man muss sich an die Verträge handeln und beispielsweise Griechenland als Staat pleite gehen lassen, anstatt die Schulden auf alle umzulegen. Ob so etwas nun praktische funktionieren würde – eine Staatspleite eines Staates innerhalb einer Gemeinschaftswährung – kann ich nicht sagen. Vorstellen könnte ich es mir schon.
  • Reise- und Arbeitsfreizügigkeit sind ja auch eine gute Sache, aber bitte beschränkt darauf. Sozialbezugsfreizügigkeit darf daraus nicht resultieren. Aus einer Reisefreizügigkeit à la Schengen muss aber zwangsweise eine gemeinsame Sicherung der Außengrenzen folgen, und da haben alle bislang gekniffen.
  • Ein einheitlicher Handelsraum, einheitliche Zahlungs- und Kommunikationsbedingungen, wie sie derzeit umgesetzt werden, ist ja auch für den Einzelnen eine feine Sache. Genügen würden aber auch die Festlegung verbindlicher Regeln anstatt bürokratischer Kontrollapparate: wenn ein Produkt bestimmte Eigenschaften erfüllen muss und das nicht tut, genügt auch ein Rechtssystem, dass im Einzelfall das Recht des Geschädigten durchsetzt, anstelle der bürokratische Genehmigungsverfahren, die kleine Unternehmer nur behindern und auf die man sich hinterher doch nicht verlassen kann.
  • Gemeinsame Interessenvertretung wie beispielsweise bei TTIP oder Ceta sind ja auch sinnvoll, aber begrenzt jeweils auf diese Funktionen und nicht als Überregierung, die sich für alles zuständig hält.
  • Sinnvoll wäre sicher auch eine langsame Angleichung von bestimmten Regelwerken, beispielsweise Steuersystemen (angefangen bei Unternehmenssteuern) oder Ordnungswidrigkeitsahndungen (Strafen für zu schnelles Fahren usw.). Aber da tut sich wenig, bei letzterem geht die Tendenz eher in Richtung Abzockerleichterung.
  • Unfug sind für alle verbindliche Normen, die beispielsweise in Südsizilien aufgrund der Wasserknappheit Sinn machen, in Schweden aber absoluter Unfug sind. Von denen gibt es eine ganze Menge, die gestrichen werden sollten.

Weniger präsente EU, dafür mehr konsequente Kleinarbeit im Stillen, die sich die Regierungen jeweils als Erfolg ans Revers heften könnten. Dem Bürger das Gefühl geben, seine Nationalität bleibe gewahrt. Ein so modifiziertes EU-Konzept 2.0 könnte vieles retten. Aber den Realitätssinn bringen die EU-Regierungen mit Sicherheit nicht auf. So, wie es derzeit läuft, könnte es auch bald zu Ende mit der EU sein.